Der Sohn des Alchemisten
»Dann hat er etwas Merkwürdiges erzählt. Dein Vater hat anscheinend behauptet, er sei ein Alchemist und könne Gold herstellen. Vielleicht habe ich da etwas falsch verstanden, aber der Graf wollte wohl, dass er ihm das Goldmachen zeigt, aber dein Vater wollte nicht mitgehen. Doch der Wirt und dieser andere Kerl haben nachgeholfen!«
Alle schwiegen einen Augenblick.
»Ja, das passt zusammen«, murmelte Jakob düster. »Aber Gold kann er auf keinen Fall herstellen, weil ich ja das Buch bei mir habe!«
»Jetzt faselst du schon wieder von einem Buch«, sagte Gil. »Was soll denn das für ein Buch sein?«
Jakob warf Marie einen Blick zu.
»Ich finde, du kannst ihnen ruhig was von dem Buch erzählen«, meinte sie schließlich. »Ein wenig zumindest.«
Jakob nickte. »Also gut. Nun. Ich habe ein Buch in meinem Bündel, das meinem Vater gehört. Es ist ein besonderes Buch, von Mose selbst geschrieben, das –«
»Ein Buch für Alchemisten eben«, fiel ihm Marie ins Wort. Alles musste die Bande ja nicht wissen.
»Und was ist ein Alchemist?«, wollte Gil wissen.
»Ein Zauberer, oder?«, antwortete Jorge. »Jakob, das hättest du uns wirklich sagen können, dass dein Vater ein Zauberer ist!«
»Blödsinn«, erwiderte Jakob. »Zauberer sind mit dem Teufel im Bunde! Alchemisten sind den göttlichen Geheimnissen dieser Welt auf der Spur. Dem Elixier des ewigen Lebens! Dem Stein der Weisen!«
»Das Elixier des ewigen Lebens! Zwick mich! Meinst du das ernst?« Pepe boxte ihn in die Seite.
»Au!« Jakob rieb sich den Arm, aber er schien sich geehrt zu fühlen.
»Jetzt sag bloß, in deinem komischen Buch steht drin, wie man den Stein der Weisen findet?«, rief Gil aus.
»Mist«, murmelte Jakob unruhig, »wie bist du jetzt darauf gekommen! Aber mehr sage ich nicht!«
»Hoho! Unsere zwei neuen Mitglieder sind für große Überraschungen gut! Ein Alchemist!« Pepe deutete eine Verbeugung an.
Jorge schnitt ein missmutiges Gesicht. »Ein Alchemist, der nur Probleme macht! Ein Steinebuch im Gepäck! Ich hab ja gleich gesagt, dass es mit ihnen kompliziert wird! Los, verschwinden wir schleunigst von hier! Bevor der Wirt merkt, dass sein frischgewonnenes Maultier das Weite gesucht hat!«
»Außerdem haben wir jetzt ein neues Ziel!«, fiel ihm Pepe ins Wort. »Jorge, schau nicht so! Auf uns wartet ein Abenteuer!«
»Und das heißt Gonzalo!«, ergänzte Gil.
»Ihr kommt mit?« Jakob konnte nur mühsam einen Schrei unterdrücken. »Ihr kommt mit und helft uns, meinen Vater zu befreien?«
»Ehrensache!«, erwiderte Gil.
»Für immer Freunde!«, sagte Pepe ernst. »Jorge, weißt du, wo Gonzalos Burg liegt?«
»Bisher hat es mich dort noch nie hingezogen. Aber ich weiß immerhin die Richtung«, sagte Jorge schon etwas versöhnlicher. »Folgt mir!«
»Nein, zur Burg ist es nicht mehr weit!« Die Bäuerin legte ihre Hacke zur Seite. »Immer am Bach entlang, dann könnt ihr sie gar nicht verfehlen! Wollt ihr auch zum großen Fest?«
»Zum Fest?«, fragte Pepe erstaunt. Die Kinder waren die halbe Nacht gelaufen, bevor sie sich in die Büsche geschlagen hatten, um wenigstens ein paar Stunden zu schlafen. Der kleine Weiler mit den drei Bauernhöfen vor ihnen sah einladend aus und Marie hätte sich am liebstem am Bach ins Gras gelegt und die müden Füße ins Wasser gestreckt. Aber sie mussten weiter! Sie mussten so schnell wie möglich zur Burg des Grafen Gonzalo!
»Zu welchem Fest sollen wir wollen?«, fragte Gil.
»Na, zum Jakobusfest natürlich!« Die Bäuerin wischte sich die Stirn. »Jedes Jahr am Tag des heiligen Jakobus gibt der Graf ein Fest für alle seine Leute hier im Tal – undauch für alle Pilger, die es nicht rechtzeitig zum Festtag nach Santiago de Compostela geschafft haben.«
»Heute ist Jakobustag!« Pepe schlug sich an die Stirn. »Dass ich das vergessen konnte!«
»Eigentlich wollten mein Vater und ich heute schon in Santiago sein«, sagte Jakob düster. »Wir waren dort verabredet.«
»Ja, ja«, nickte die Bäuerin, »in Santiago de Compostela sollen heute wie in jedem Jahr Tausende zusammenkommen, sogar aus Frankreich oder aus den deutschen Ländereien, meine Güte! Zu unserem Grafen kommen nur die Leute aus seinen fünf Dörfern und mit ein bisschen Glück die Ritter des Santiagoordens aus Portomarin. Aber ich habe schon gehört, dass gestern viel fahrendes Volk angekommen ist, Spielleute und Jongleure!«
Marie hielt die Luft an. Spielleute! Noch nie hatte sie welche gesehen! Bei der Mühle im
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