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Der Sohn des Alchemisten

Der Sohn des Alchemisten

Titel: Der Sohn des Alchemisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Beinah wäre ihr schwindlig geworden. So hoch oben war sie noch nie in ihrem Leben gewesen! Sie zwang sich weiterzugehen.
    Die Stufen führten schließlich zu einer schweren Tür, rechts und links flankiert von zwei weiteren Wandteppichen. Links verneigte sich ein Ritter vor einer vornehmen Dame und hielt ihr in seiner geöffneten Hand einen runden Edelstein entgegen. Rechts war eine riesige Schlange abgebildet, die sich von den Bergen bis zur Sonne wand.
    »Ahhh!«
    Marie zuckte zusammen. Was war das?
    »Ahh! Ach!«
    Hinter der Tür stöhnte jemand! Sie spitzte die Ohren.
    ». . . erst Räuber, dann dieser dunkle Wald . . . und jetzt diese verflixte Burg! Ich verfluche mich, dass ich ihn mitgenommen habe . . .«
    War das Jakobs Vater? Es klang danach.
    Marie stockte kurz.
    Dann hob sie die Hand und klopfte.
    Augenblicklich verstummte das Stöhnen.
    Jemand schien aufzustehen.
    »Ha! Gonzalo, Ihr schon wieder? Habt Ihr Euren Anstand wiedergefunden?«
    Oben an der Tür wurde eine Klappe zur Seite geschoben. Marie unterdrückte einen Schrei, als zwei Augen nach draußen spähten.
    Einen Moment lang herrschte Stille.
    »Nicholas Flamel?«, fragte Marie leise von draußen.
    »Hoppla!« Der Mann auf der anderen Seite der Klappe schien überrascht zu sein, eine einfache Magd und keinen Grafen zu erblicken. »Wer bist denn du?«
    »Ich heiße Marie. Seid Ihr Jakobs Vater?«, fragte sie hastig.
    »Jakob?« Die Augen hinter der Klappe wurden groß. »Mein Gott, was weißt du von Jakob? Kennst du ihn? Hast du ihn gesehen? Ja und dreimal ja, ich bin es, ich bin sein Vater. Man hat mich hierher verschleppt und eingesperrt.«
    Nicholas Flamel! Dort hinter der Tür war Nicholas Flamel! Sie hatte ihn gefunden! Beinah hätte Marie vor Freude einen Luftsprung gemacht. »Jakob ist auch in der Burg!«
    »Gott sei gelobt, Jakob lebt! Die Räuber haben ihn nicht erschlagen!«, rief Nicholas Flamel. »Mein Gott, er ist in der Burg! Hat ihn der Graf etwa auch gefangen gesetzt?«
    »Nein«, erklärte Marie leise, »Jakob ist in der Küche und rupft Hühner.«
    »In der Küche? Hühner? Herrje! Warum rupft er Hühner?«
    »Das erkläre ich Euch später. Wir sind hier, um Euch zu befreien!«
    »Befreien?« Flamel seufzte auf. »Du und Jakob?«
    »Nein«, sagte Marie, »wir sind fünf.«
    »Ah! Verstärkung!«
    »Fünf Kinder!«, fügte sie hinzu.
    »Oh!« Die Augen blickten besorgt aus der kleinen Klappe.
    Marie besah sich die Tür. Ohne Schlüssel ließ sie sich nicht öffnen, daran war kein Zweifel.
    »Der Schlüssel hängt dem verfluchten Gonzalo um den Hals«, fuhr Jakobs Vater fort. »Von wegen, er sei auch von der edlen Zunft der Alchemisten! Ein goldgieriger Gauner ist er, nichts weiter. Seit er weiß, wer ich bin, will er Gold von mir! Ein Kinderspiel, sagt er, müsse das für mich sein! Hätte ich ihm doch nie vom Stein der Weisen erzählt! Ich soll hier oben im Turm sitzen und mir überlegen, wann ich mit dem Goldmachen anfange, während unten gefeiertwird! Hoffentlich bringt der Kerl mir wenigstens die Wachteln, die ich mir gewünscht habe! Ha, was war das?«
    Beide lauschten. Dann hörten sie etwas, das Marie das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Schritte.
    Es kamen Schritte die Treppe empor.
    Nicholas Flamel legte schnell einen Finger auf den Mund und schob die Klappe an der Tür zu.
    Marie sah sich ratlos um. Wohin sollte sie nur fliehen? Die Tür vor ihr war versperrt. Und nach unten konnte sie nicht mehr. Da fiel ihr Blick auf die Wandvorhänge neben der Tür. Kurzentschlossen schlüpfte sie hinter das Bildnis mit der Schlange und presste sich an die Wand, die an einer Stelle eine kleine Nische bildete. Sie spürte das Amulett um ihren Hals, das ihr Bruder Johannes geschenkt hatte. Mit einer Hand griff sie danach.
    »Bitte«, sandte sie ein Stoßgebet zum Himmel. »Be schütze mich!«
    Dann hörte sie eine wohlbekannte Stimme.
    Es war die Stimme des Grafen höchstpersönlich.

»Flamel!«, rief der Graf und trat mit dem Fuß gegen die Tür.
    Marie stand stocksteif hinter dem Vorhang und hielt die Luft an. Jakobs Vater schob die Luke wieder auf.
    »Bringt ihr mir meine Wachteln?«, fragte Flamel mit zitternder Stimme. »Es ist, müsst Ihr wissen, nicht besonders schön, hungrig hier oben im Turm zu hocken, während sich unten die Ochsen drehen!«
    »Ihr werdet früh genug nach unten gebracht werden«, erwiderte der Graf grimmig. »Flamel, jetzt schlägt Eure Stunde! Nach dem Festmahl werdet Ihr zeigen, was Ihr könnt! Und zwar

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