Der Sohn des Haeuptlings
auch einmal wie ein Indianer verhalte’, überlegte Mister Webster. ,Und ob das Wasser jetzt ein paar Minuten länger läuft oder nicht, ist nun sowieso schon egal.’
„Wie gefällt dir Jenny?“ wollte Mister Webster wissen. Er schlug sein rechtes Bein über das andere und nahm den zweiten Zug aus seiner Zigarre.
Tesu war mit der Hälfte seines Gesichts immer noch unter Wasser. Er konnte also nicht antworten. Und da er es vorerst dabei belassen wollte, gab er keine Antwort.
„Wenn du damit einverstanden bist, wird sie dir in Zukunft behilflich sein. Oder wäre dir Pennyfull lieber?“
Jetzt nahm Tesu doch seinen Kopf aus dem Wasser. „Jenny“, japste er, verkroch sich dann aber sofort wieder in seiner Tauchstation.
Dabei suchten seine hellblauen Augen die beiden chromblitzenden Hähne, aus denen nach wie vor das Wasser in die Wanne schoß.
Mister Webster schickte noch eine weiße Zigarrenwolke in die Luft und tat dann erst so, als hätte er den Blick des Jungen inzwischen begriffen. „Ach so, du bist mit deinem Bad fertig?“ fragte er, stand auf und drehte, ohne sich zu beeilen, zuerst den einen Wasserhahn zu und dann den anderen. „Wir erwarten dich dann zum Frühstück“, meinte er, als er jetzt auf einen Knopf drückte, damit das Wasser auslaufen konnte.
Tesu hatte aufmerksam jeden Handgriff beobachtet. Und als der etwas dickliche Mann mit seiner Zigarre den Stuhl wieder an die Wand stellte und zur Türe hin durch das Wasser ging, als sei es überhaupt nie dagewesen, hörte er in seinem Rücken plötzlich: „Mister Webster—“
„Ja?“ Der Amerikaner blieb stehen. Das war das erstemal, daß ihn Tesu bei seinem Namen gerufen hatte. Er drehte sich um.
„Das — das Wasser—“, der Junge unterbrach sich, überlegte einen Augenblick und sagte dann in einem völlig anderen Ton: „Ich danke Ihnen, Mister Webster.“
„Der Sohn des Häuptlings hat mir soeben eine große Freude gemacht“, erwiderte der Amerikaner. „Wirklich eine große Freude“, wiederholte er und ging auf den Korridor hinaus.
Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, sprang Tesu aus dem Wasser und drehte mit beiden Händen an den Hähnen. Mal auf, mal zu. Und wieder auf und wieder zu.
Natürlich wußte der Junge jetzt, was passiert war.
Er saß inzwischen auf dem Rand der Badewanne.
Das Wasser mußte selbstverständlich abgestellt werden, bevor es überlief. Das hätte ihm diese Jenny ja nur sagen müssen. Aber sie hatte natürlich angenommen, daß er Bescheid wüßte. Gleich darauf schlug der Junge sein linkes Bein ins Wasser, daß es nur so klatschte. Er dachte an Pennyfull, und wie der Kerl ihn ausgelacht hatte. Mister Webster hatte nicht gelacht. Er hatte kein einziges Wort zu der Überschwemmung gesagt. Nur um ihn nicht zu kränken.
Tesu nahm das bereitgelegte Badetuch und fing an, sich abzutrocknen. Dieser erste Tag in der neuen Welt hatte zugleich gut und schlecht begonnen. Es würde nicht leicht für ihn werden, und Tesu würde Menschen brauchen, denen er vertrauen konnte.
Mittlerweile summte Mister Webster einen Stock tiefer in seinem Schlafzimmer irgendeine Melodie vor sich hin. Er zog sich gerade trockene Socken über die Füße, und seine Frau kam mit einem Paar warmer Pantoffeln. „Ob wir die Feuerwehr kommen lassen?“ fragte sie, „oder ist für so etwas eine Reinigungsfirma zuständig?“
„Leider war’s kein Wasserrohrbruch“, meinte Mister Webster vergnügt. „Sonst könnte man die Kosten der Versicherung anhängen.“
In diesem Augenblick summte das Telefon.
„Um Himmels willen“, erklärte Mrs. Webster. „Das ist bestimmt schon wieder Mister Fuller vom Innenministerium. Es ist heute schon sein dritter Anruf. Beim ersten hast du dich gerade rasiert, beim zweiten warst du droben bei dem Jungen.“
„Nur Wichtigtuerei. Es gibt Menschen, die würden krank werden, wenn du ihnen das Telefon wegnimmst“, meinte Mister Webster und nahm den Hörer ab. „Ja, am Apparat — guten Morgen — heute ziemlich spät in der Nacht — ja, zufrieden und alles gut überstanden — wie? Sagen Sie das bitte noch einmal —“
Schon eine Minute später hatte sich die Welt komplett verändert.
Jedenfalls für die Handvoll Menschen, die in der weißen Villa mit dem schönen Blick auf den Michigansee wohnten.
„Ja, natürlich ist das ein Schlag für mich auf den nüchternen Magen“, grollte Mister Webster, als er die bittere Neuigkeit gehört hatte. „Und dabei war ich sicher, daß ihr mich
Weitere Kostenlose Bücher