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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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können ein halbes Dutzend Gäste haben, unser Geschirrspüler kann in einem Spülgang das Geschirr spülen, in der Zwischenzeit können Sie eine Zeitung lesen, Sie können aber auch den Schnellgang einschalten.“
    „Ausgezeichnet“, bemerkte Studienrat Dr. Purzer. „Und jetzt erklärt mir die verschiedenen Bedeutungen von ,können’ , wenn ich bitten darf?“
    Er führte anschließend, so wie ein Dompteur im Zirkus hintereinander dressierte Elefanten, Raubtiere, Hunde und Krokodile vorführt, zehn Minuten Englisch vor, dann Latein, Mathematik und schließlich Geschichte.
    Dabei machte er zum Schluß einen gewagten Sprung vom Lombardenfeldzug Kaiser Friedrichs des Zweiten, den die Klasse im Augenblick auf ihrem Lehrplan hatte, über den Ozean hinüber, ließ das Mittelalter kurzerhand hinter sich und landete schließlich beim 29. Dezember 1890, und zwar haargenau am „Wounded Knee“.
    „Dort und an diesem Tag ist der Traum aller Indianer in einem ungleichen Kampf durch die Übermacht der Weißen zerstört worden“, meinte Studienrat Dr. Purzer schließlich. „Und an derselben Stelle haben 1973 die Indianer von heute auf den historischen Schlachtfeldern an der ,Biegung des Flusses’ einen neuen Kampf begonnen. Dieses Mal mit friedlichen Mitteln für bessere Zustände in ihren Reservaten und für Rückgabe des fruchtbaren Landes, das ihnen der Weiße einst weggenommen hat, oder für einen entsprechenden Ausgleich. Sie wollen nicht mehr staatliche Almosenempfänger sein —“ Studienrat Dr. Purzer schob seine Brille zurecht. „Entschuldigen Sie diesen etwas gewaltsamen historischen Purzelbaum, Mister Webster. Aber wenn wir hier schon einmal echten indianischen Besuch haben, wäre es fast strafbar, wenn ich nicht die Gelegenheit benutzen würde —“
    „Oh, ich bin Ihnen dafür sogar dankbar“, rief Mister Webster, den es jetzt nicht mehr auf seinem Stuhl hielt. „Und alle Achtung, Sie wissen ja eine ganze Menge. Ich hätte nicht geglaubt, daß man sich hier überhaupt mit den Problemen der Indianer beschäftigt. In den meisten Ländern, und sogar bei uns, liest man nur diese alten, verlogenen Bücher und sieht diese genauso verlogenen Filme. Aber ich war jahrelang Chef im Bureau of Indian Affairs. Ich weiß also, von was ich rede, und es würde mir Spaß machen, euch zu erzählen, was wirklich los war und was heute passiert.“
    Die Klasse scharrte wieder einmal mit den Füßen, und Oberstudiendirektor Senftleben sagte: „Das wäre sehr freundlich, Mister Webster.“
    Der Amerikaner kam regelrecht in Fahrt. Er begann mit den Zeiten der großen alten Häuptlinge, vom Leben der einzelnen Stämme, vom Auftauchen der ersten Weißen mit ihren Planwagen aus dem Osten. Er ging dabei zwischen den Bänken hin und her. Als es irgendwann zur Pause klingelte und man kurz darauf aus dem Schulhof das Lachen und Toben der übrigen Schüler hörte, störte das die 8 B überhaupt nicht.
    Etwa beim Ende der Pause wiederholte Mister Webster gerade die Worte des großen Häuptlings Sitting Bull, bevor er sich in die letzte Schlacht stürzte, um den Tod zu suchen. „Hört mich, meine Häuptlinge. Ich bin müde, mein Herz ist krank und traurig. Von da an, wo die Sonne jetzt steht, will ich nicht mehr kämpfen auf ewig.“
    Tesu saß aufrecht neben Karlchen Kubatz in der Bank und rührte sich nicht. Als dann später Mister Webster davon sprach, daß jetzt endgültig das indianische Selbstbewußtsein wiedererwacht sei, hob er allerdings den Blick, den er bisher vor sich hin gerichtet hatte.
    „Aber jetzt solltest du auch etwas sagen“, meinte Mister Webster schließlich und blieb vor dem Indianerjungen stehen. „Nachdem ich gerade von deinem Vater Kuguah erzählt habe, könntest du doch zum Beispiel berichten, wie es bei euch an den Tagen des Walkan zugeht, dem Fest eurer Väter —“
    „Wenn meine weißen Freunde es hören wollen?“ fragte Tesu. Und da die Klasse natürlich sofort Zustimmung murmelte, und auch Oberstudiendirektor Senftleben genauso wie sein Kollege Dr. Purzer versicherten: „Natürlich würden wir es gern hören“, begann Tesu, zuerst ein wenig stockend und dann immer flüssiger zu schildern, wie er im Tipi seines Vaters aufgewachsen war, und wie man in Mapimi lebte.
    Als er schließlich von der Prüfung der Gezeichneten erzählte und wie er sich zusammen mit seinem Freund Tokana eine ganze Woche lang mutterseelenallein durch die Wälder geschlagen hatte, blieb es in der Klasse nicht mehr allein

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