Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
Weib?«
    »Ich weiß es«, antwortete die Windskrole mit einem herablassenden Lächeln. Die Priesterin fasste sie jetzt näher ins Auge. Vermutlich versuchte sie zu erraten, wer diese schöne Frau in dem eigentümlichen, zerrissenen Mantel war.
    »Yeku sagt, guter Ort. Starker Ort. Guter Platz für Rituale«, warf Mahuk ein.

    Die Priesterin starrte von einem zum anderen. Offenbar bemerkte sie erst jetzt, dass sie nicht alle Hakul waren, und sie versuchte, sich einen Reim darauf zu machen. »Von welchem Ritual spricht dieser … Wilde?«, fragte sie unsicher.
    Awin beschloss, ihr wenigstens das Nötigste zu sagen. »Es ist ein altes und heiliges Ritual der Seher, ehrwürdige Priesterin. Es erlaubt meinem Geist, eine Reise anzutreten. Ich werde es hier vollziehen, denn dieser Ort ist ruhig und scheint gesegnet. Ich bitte dich, mir zu glauben, dass ich nicht vorhabe, eure Göttin Inne zu beleidigen. Ja, ich werde ihr sogar ein Opfer bringen, denn dies ist ihr Haus, und ich bin nur Gast.«
    »Das kann ich nicht erlauben, Hakul!«, sagte die Priesterin. Ihre Kiefermuskeln spannten sich. Sie schien fest entschlossen.
    Awin seufzte. Er konnte die Frau verstehen, aber doch keine Rücksicht auf ihr Misstrauen und ihren Hass nehmen. »Ich werde es dennoch tun, Priesterin, denn das Schicksal der Welt kann davon abhängen.«
    »Dies ist der Tempel der Inne. Sie wird nicht zulassen, dass …«
    Sie wurde durch ein Flüstern unterbrochen. »Sie wird, Bäuerin«, hauchte Isparra, beinahe unhörbar, aber gerade noch so, dass es jedem Einzelnen in den Ohren klang.
    Die Akradhai erbleichte und wich einen Schritt zurück.
    »Wir werden deine Göttin ehren, Priesterin«, versprach Awin noch einmal. »Sie wird es verstehen, denn auch sie wird wissen, was auf dem Spiel steht.«
    »Also geh uns aus dem Weg, sterbliches Weib«, flüsterte Isparra. Wieder jagte es Awin einen Schauer über den Rücken, dabei hatte er ihr Flüstern nun schon oft gehört. Die Priesterin aber starrte die Windskrole einen Augenblick entsetzt an, dann drehte sie sich um und rannte davon.

    »Ich weiß nicht, ob das klug war«, sagte Tuge langsam.
    »Sie ist fort. Wie ihre Göttin. Der Tempel gehört dir«, antwortete Isparra mit einem verächtlichen Schnauben.
    »Yeku sagt, du hast sie beleidigt«, meinte Mahuk, und es blieb unklar, ob damit die Göttin oder ihre Dienerin gemeint war.
    »Auf jeden Fall ist sie weg und stört uns nicht mehr«, meinte Wela jetzt. »Was sagst du, Sehersohn, ist der Platz für dein Ritual geeignet?«
    Awin sah zum Himmel. Wolken zogen auf. Es würde noch einige Stunden dauern, bis es endlich dunkel werden würde. »Ja«, sagte er, »ja, dieser Tempel ist geeignet. Ihr müsst nachher nur dafür sorgen, dass ich ungestört bleibe.«
    »Das erscheint mir leichter gesagt als getan, Yaman«, sagte Tuge. »Die Stadt ist voller Unruhe, die Hakul sind streitlustig, und die Akradhai werden nicht begeistert sein, wenn wir diesen Ort, der ihnen heilig ist, entweihen.«
    Awin musste zugeben, dass Tuge nicht Unrecht hatte, aber dann sagte er: »Hört ihr nicht den Lärm? Unsere Stammesbrüder sind in einer gefährlichen Stimmung. Jede Kleinigkeit kann dazu führen, dass die Dolche gezogen werden und Blut fließt. Wenn die Akradhai klug sind, bleiben sie in den Häusern. Und unsere Brüder haben keinen Grund hierherzukommen, denn der Tempel ist bereits geplündert.«
    »Dennoch wäre mir wohler, wenn wir uns irgendwo in die Ebene zurückziehen würden, Yaman«, meinte der Bogner verdrossen.
    »Die Nacht ist kurz, Meister Tuge«, sagte Merege jetzt, »und im Morgengrauen stechen wir in See. Wenn Awin auf die Reise gehen will, dann nur hier und heute, innerhalb der Mauern dieser Stadt, denn du weißt, dass er das auf dem Wasser nicht kann. Und er wird in Karno keinen besseren Ort finden als diesen Tempel der Inne.«

    Als sie den Tempel wieder verließen, stellten sie fest, dass die Unruhe auf dem Platz noch angewachsen war, denn der Streit, den der Krieger vorhin erwähnt hatte, wurde nun wirklich in einem Zweikampf ausgefochten. Awin sah von den Tempelstufen aus den hin- und herwogenden Kreis aus Hunderten brüllenden und schimpfenden Hakul, in dessen Mitte sich zwei Krieger mit gezogenem Blutdolch belauerten.
    »Gibt es denn hier keinen Yaman, der für Ordnung sorgt?«, rief Tuge kopfschüttelnd.
    »Offenbar nicht«, antwortete Awin. »In dieser Stadt scheinen die Hakul verrückt zu spielen.«
    »Und es steckt an«, sagte Wela trocken.
    Awin sah,

Weitere Kostenlose Bücher