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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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»In den Norden? Woher sollte ich das wissen?«
    »Aber viele tausend deines Volkes begleiten sie doch«, sagte Isparra leichthin. Dann beugte sie ein Knie, legte die rechte Hand auf das weiße Pflaster und schloss die Augen.
    Awin spürte eine leichte Erschütterung im Boden. Aber vielleicht rührte sie auch von dem tiefen Abgrund, der sich in seinem Inneren auftat: Tausende Hakul, die den vier Geschwistern Isparras in den Norden folgten? Das konnte - das durfte nicht sein! Aber dennoch - viele Rätsel, die er nicht hatte lösen können, schienen sich damit wie von selbst zu beantworten: Eris wundersamer Aufstieg, die Vereinigung der Stämme, der Friede mit den Viramatai, das alles ergab nun einen Sinn, das alles wies nun in eine Richtung - nach Norden. Awin schluckte. Er wollte diesen Gedanken nicht zu Ende denken, aber dann fragte er Isparra doch danach: »Sag, Isparra, wohin wollen deine Geschwister?«
    Die Windskrole erhob sich und wandte sich ihm zu. Die Enttäuschung schien aus ihrem Gesicht gewichen, und der Hochmut hatte seinen angestammten Platz wieder eingenommen. »Es war nicht viel, doch besser als nichts.« Ein leichter Wind erhob sich und blies Staubwolken über den weißen Platz.
Die Krieger wichen ängstlich zurück. »Ich verlange ein Pferd«, sagte Isparra.
    Awin schüttelte langsam den Kopf. »Du wirst keines bekommen, Zerstörerin. Es sei denn, du verrätst mir, wohin deine Geschwister wollen.«
    Isparra schien eine Weile über Awins Worte nachzudenken. Dann sagte sie: »Es sind meine Geschwister, und ich werde dir nicht verraten, was du dir nicht selbst denken kannst.«
    Awin fand ihre Überheblichkeit nur schwer zu ertragen. Er rührte keinen Finger, um ihrem Wunsch nach einem Pferd nachzukommen.
    Die Xaima wurde ungehalten: »Verstehst du es wirklich nicht, Hakul? Sie sind ebenso abgeschnitten von der göttlichen Kraft, wie ich es bin. Und sie sind Narren, immer noch in Liebe zu Slahan gefangen. Das Pferd!«, verlangte sie mit gebieterischer Geste. Der Wind wurde stärker.
    Awin schloss die Augen. Isparra hatte Recht. Er kannte die Antwort, aber er wollte sie nicht wahrhaben. »Das Skroltor? Sie wollen das Tor der Daimonen öffnen?«, fragte er schwach.
    Isparra sah ihn ruhig an. Ein verächtlicher Zug spielte um ihre schönen Lippen. »Wie dumm ihr Menschen doch seid, dass ihr das Offensichtliche so spät erkennt. Du scheinst mit Blindheit geschlagen, Hakul.« Bei dieser letzten Bemerkung sah sie ihn nachdenklich an. Spürte sie etwa, was sich auf seiner Geistreise zugetragen hatte? Sie senkte ihre Stimme zu einem fast unhörbaren Flüstern. »So hast du deine Gabe also hergegeben. Dann solltest du meine Geschwister verstehen, Seher. Sie wollen das zurückgewinnen, was sie verloren haben. Und das ist möglich.« Für einen Augenblick glaubte Awin, so etwas wie Anteilnahme bei Isparra zu spüren, aber dann kehrten Hochmut und Gleichgültigkeit in ihre schönen Züge zurück,
und sie rief herrisch: »Und nun verlange ich das Pferd, das du mir versprochen hast. Bringt es mir!«
    Isparra war keine gute Reiterin. Awin sah ihr nach, als sie ihren Schimmel mit hartem Druck der Schenkel antrieb und im Galopp aus dem Tor hinaussprengte. Für einen Augenblick war ihr dunkler Schatten noch im Torbogen zu erkennen, dann riss sie ihr schnaubendes Pferd hart nach rechts und entschwand aus Awins Blicken. Er stand immer noch am Rande des weißen Platzes und fühlte sich klein und verloren.
    »Wenn sie nicht etwas schonender mit dem armen Tier umgeht, wird sie nicht weit kommen«, brummte Tuge missbilligend.
    Awin antwortete nicht.
    Fürstrichterin Kalya, die das Geschehen von der Mauer über dem Tor aus beobachtet hatte, kam die Treppe herunter. »Nun, Yaman Awin, wir haben getan, was du verlangtest. Erklärst du uns nun auch, warum wir dieser Alfskrolen geholfen haben?«
    »Das kann ich, doch nicht hier, ehrwürdige Prawani, lass uns in der Großen Kammer beraten. Ich habe schlechte Nachrichten.«
     
    »So ganz habe ich es immer noch nicht verstanden, Awin«, sagte Wela, die, ebenso wie Tuge, zum leichten Missfallen der Fürstrichterin am Rat in der großen Kammer teilnahm.
    Niemand antwortete auf diese Bemerkung. Sie alle schienen düsteren Gedanken nachzuhängen, nachdem Awin seinen Bericht beendet hatte.
    »Ich fürchte, ich verstehe es, denn es passt leider zu gewissen Gerüchten, die wir aus dem Staubland hörten«, sagte Brami Vareda schließlich.
    »Darf ich fragen, was für Gerüchte das sind,

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