Der Sohn des Wolfs
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»Aber ich will es! Du bist mein! Hörst du? Du bist mein!« Er wandte sich zornig gegen den Priester. »Was für ein Narr war ich, daß ich Sie Ihre glatten Worte sprechen ließ! Danken Sie Gott, daß Sie kein gewöhnlicher Mann sind, sonst – . Aber das Vorrecht des Priesters muß gewahrt werden, nicht wahr?
Sie haben es gewahrt, und jetzt verlassen Sie mein Haus, oder ich vergesse, wer und was Sie sind!«
Vater Roubeau verbeugte sich, ergriff ihre Hand und zog sie zur Tür. Aber Wharton trat ihnen in den Weg. »Grace! Du hast gesagt, daß du mich liebst?«
»Ja.«
»Und jetzt?«
»Jetzt auch.«
»Sag es noch einmal.«
»Ich liebe dich, Clyde; ich liebe dich.«
»Da sehen Sie, Pfaff!« rief er. »Sie haben es gehört. Und da wollen Sie sie zurückschicken, daß sie ein Leben in Lüge, ein Leben wie die Hölle mit diesem Manne führt?«
Aber Vater Roubeau schob die Frau in das Hinterzimmer und verschloß die Tür.
»Kein Wort!« flüsterte er Wharton zu und setzte sich auf den ersten besten Stuhl. »Vergessen Sie nicht, es ist ihretwegen«, fügte er hinzu.
Der Raum hallte wider von einem derben Pochen an die Tür; dann wurde die Klinke herabgedrückt, und Edwin Bentham trat ein.
»Haben Sie meine Frau nicht gesehen?« fragte er, sobald sie sich begrüßt hatten.
Zwei Köpfe wurden geschüttelt.
»Ich sah ihre Spur bei der Hütte«, fuhr er prüfend fort. »Und die bog vom Hauptwege ab und führte geradeswegs hierher.«
Seine Zuhörer sahen aus, als ginge sie das alles nichts an.
»Und ich – und ich dachte – «
»Daß sie hier wäre!« donnerte Wharton.
Der Priester brachte ihn durch einen Blick zum Schweigen.
»Haben Sie ihre Spur hier zur Hütte führen sehen, mein Sohn?« Der schlaue Vater Roubeau – als er vor einer Stunde denselben Weg gekommen war, hatte er sorgfältig alle Spuren verwischt.
»Ich habe nicht nachgesehen – ich – .« Sein Auge haftete mißtrauisch auf der Tür zum andern Zimmer und wandte sich dann fragend auf den Priester. Der schüttelte den Kopf; aber der Zweifel schien in der Luft zu liegen. Vater Roubeau betete ein kurzes stilles Gebet und erhob sich.
»Wenn Sie mir nicht glauben, bitte – .« Er tat, als wolle er die Tür öffnen.
Ein Priester konnte nicht lügen. Edwin Bentham hatte das zu oft gehört, um es nicht zu glauben.
»Nein, natürlich, Vater Roubeau«, sagte er schnell. »Ich wußte nicht, wo meine Frau hingegangen war, und dachte, sie sei vielleicht – ich nehme an, sie ist zu Frau Stanton nach French Gulch gegangen. Schönes Wetter, nicht wahr? Haben Sie das Neueste gehört? Das Mehl ist auf vierzig Dollar den Zentner, und es heißt, daß die Chechaquas scharenweise den Fluß heraufkommen. Aber ich muß fort! Auf Wiedersehen.«
Die Tür schlug zu, und durch das Fenster sahen sie ihn den Weg nach French Gulch einschlagen.
Wenige Wochen später, eben nach dem Hochwasser im Juni, ruderten zwei Männer ein Kanu mitten in den Strom und machten es an einem treibenden Stamm fest. Der zog wie ein Schlepper das kleine Boot an straffer Leine hinter sich her. Vater Roubeau hatte Order erhalten, das Oberland zu verlassen und zu seinen dunklen Kindern in Minook zurückzukehren. Bei denen hatten sich die weißen Männer niedergelassen, und die opferten jetzt von ihrer Zeit zu wenig dem Fischfang und zuviel einer gewissen Gottheit, die vorübergehend in unzähligen schwarzen Flaschen wohnte. Malemute Kid hatte auch im Unterlande zu tun, und so reisten sie zusammen.
Nur ein Mann im ganzen Nordlande kannte Paul Roubeau, und das war Malemute Kid. Vor ihm allein warf der Priester sein heiliges Gewand ab und stand in seiner Blöße da. Und warum nicht? Diese beiden Männer kannten sich. Hatten sie nicht den letzten Bissen Fisch, die letzte Prise Tabak, den letzten und geheimsten Gedanken miteinander geteilt – am öden Strande der Bering-See, in den aufreibenden Labyrinthen des Großen Deltas, auf der schrecklichen Winterreise von Point Barrow nach Porcupine?
Vater Roubeau hatte die sauer verdiente Pfeife im Munde, paffte mächtig und starrte in die Sonne, die von Dunst verschleiert rot und unheimlich am Rande des nördlichen Horizontes schwelte. Malemute Kid zog die Uhr. Es war Mitternacht.
»Kopf hoch, Alter!« Kid nahm offenbar einen abgerissenen Faden wieder auf. »Eine solche Lüge wird Gott sicher vergeben. Laß mich dir die Worte eines Mannes sagen, der immer ins Schwarze trifft:
›Hat sie ein Wort nur gesagt / so denk: dein Mund
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