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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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einen kurzen Moment. Und als ich die Kuppe der
Böschung erreichte und hinab blickte, war da kein Fuchs mehr. Ich sah einen
Mann. Er war alt. Sein Haar war filzig, sein Bart lang und zottelig.
Zerschlissene Kleidung. Und er ging barfuß trotz der Kälte. Er drehte sich zu
mir um und blickte mich an. Da war etwas in seinen Augen. Zuerst dachte ich, es
wäre Irrsinn. Vielleicht war es auch das. Aber da war noch mehr. Mir war, als
würde er mich erkennen. Nicht als Mensch oder als Bedrohung. Als Kilian. Als
wäre ich jemand, den er von früher kannte. Jemand, den er lange nicht gesehen
hatte. Mir war seltsam zumute. Ich näherte mich ihm vorsichtig. Und als wir uns
Auge in Auge gegenüberstanden, war es, als würde er mir direkt ins Herz blicken.”
    „So ein
Unsinn”, höhnte Dorn.
    „Lass ihn
reden!”, befahl Adalar.
    „Ich muss
zugeben, der Alte machte mir Angst. Er glotzte nur. Und dann entblößte er seine
schwarzen Zahnstumpen und sprach zu mir. „Kilian“, sagte er, „Kilian, nimm dich
in acht.“ Das waren seine Worte. Dann lief er davon und war rasch verschwunden.
Ich war zu verdattert, um ihm zu folgen. So war das.”
    „Willst du
dir einen Scherz mit uns erlauben, du Narr? Pass bloß auf!”, drohte Darragh,
der Neolinga.
    „Ich sage
die Wahrheit! Ich schwöre, dass es so war!“
    Ein Raunen
ging durch die Reihen.
    „Ich glaube
dir”, sagte Kinsella. „Wenn ich auch nur aus alten Berichten von Zauberern weiß,
die Tiergestalt annehmen konnten, so zweifle ich nicht, dass es sie gab. Aber
gibt?“ Blair, der Neolinga, trat vor. „Mal angenommen, es gibt wirklich
Zauberer, die das vermögen. Wie soll das möglich sein? Und warum sollte er
Kilians Namen kennen? Und ihn vor irgendwas warnen?”
    „Jeder im
Tal kennt die Namen der Neolinga. Warum nicht auch ein aufmerksamer Fuchs?
Herrje, was red’ ich denn da?”, wunderte sich Joshua, der Neolinga.
    „Wir haben
keinen Grund, an Kilians Worten zu zweifeln”, beschloss Hallimasch.
    „Aber an
seinem Verstand”, raunte Dorn.
    Hallimasch
ignorierte den Einwurf. „Ich kenne die alten Berichte auch. Nicht zuletzt ist
ja vieles davon in den Fabeln überliefert, die heute noch allgemein bekannt
sind. Aber wenn dieser Alte wirklich die Fähigkeit besitzt, sich in einen Fuchs
zu verwandeln, hätten wir es mit Mächten zu tun, die weit jenseits unserer
Vorstellungskraft liegen.“ „Und die Warnung des Fuchses? Oder des Mannes”,
korrigierte Adalar sich. „Oder war es eine Drohung?”
    „Es lag
keine Drohung in den Worten des Alten”, erklärte Kilian kleinlaut.
    „Gut, dann
also eine Warnung. Aber wovor? Ich fürchte, diese Versammlung wirft mehr Fragen
auf, als sie klärt”, gestand Adalar.
    Hallimasch
blätterte in seinen Aufzeichnungen. „Es ist wichtig, dass wir alles
zusammentragen, was wir haben. Kinsella, würdest du bitte fortfahren?”
    „Gern. Ich
muss zugeben, dass ich die Sache mit dem Baum, so seltsam sie auch war, nicht
weiter verfolgte. Es passierte nämlich etwas, das ich im Licht der heutigen Erkenntnisse
betrachtet, für nicht minder interessant für alle Anwesenden erachte. Auch wenn
es zunächst nur persönlicher Natur zu sein schien. Lieber Grellon, ich bitte um
Vergebung, aber ich muss den Behütern von Viviannes Nachricht berichten.” „Ich
verstehe nicht, was das hier mitzutun hat?“, widersprach Grellon.
    „Vertrau
mir. Lasst mich ein wenig ausholen, um euch die Begebenheit zu erklären. Ich
denke, dass die meisten von euch sich noch an meine Nichte Vivianne erinnern?“
    „Sie war
eine großartige Schülerin“, sagte Sulock, der Farindor.
    „Ein tolles
Mädchen“, ergänzte Joshua, der Neolinga.
    Grellon
schmunzelte.
    „Neunseen
ist nicht groß. Ich denke, wir alle wissen, worauf du hinaus willst, Kinsella.
Die Probleme anderer Leute sind hier stets vom großen Interesse gewesen. Nichts
für ungut, Grellon“, sagte Adalar.
    „Schon gut“,
entgegnete Grellon knapp.
    „Es ist
nicht die Tatsache an sich, dass Vivianne und Grellon sich trennten. So
bedauernswert dies auch war. Ich möchte euch die Hintergründe enthüllen.“
    Grellon
erschrak. „Das führt aber jetzt wirklich zu weit!“, protestierte er.
    „Grellon,
bitte. Auch du kennst noch nicht die ganze Geschichte. Einiges von dem, was ich
euch jetzt berichte, beruht auf meinen eigenen Vermutungen und Recherchen. Ich
denke aber, dass es den tatsächlichen Ereignissen sehr nahe kommt. Es war vor
ziemlich genau zwölf Jahren. Grellon und Vivianne waren

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