Der Sonntagsmann
haben?«
»Offenbar nicht viel. Ich glaube, dass man ihm keine große Bedeutung beigemessen hat. Er war schließlich an ihre Adresse in Västerås gegangen. Der Absender schien nicht gewusst zu haben, dass sie nach Jäkkvik umgezogen war. Zumindest glaube ich, dass die Kollegen damals so dachten.«
»Aber wenn es Ulf Nyman war, warum hat er dann das Geld nicht direkt nach Jäkkvik geschickt, also poste restante nach Arjeplog?«
»Ganz einfach …«
»Ich verstehe«, sagte Rosén. »Ich verstehe. Ich bin sonntagmorgens einfach nur langsamer. Sie hat sich vor ihm versteckt, ihre neue Adresse war geheim. Hast du übrigens kontrolliert, ob sich der Umschlag noch unter den beschlagnahmten Sachen befindet?«
Elina zuckte zusammen. »Nein«, erwiderte sie. »Aber das muss er doch? Schließlich gibt es Regeln, was die Vernichtung von Beweismaterial angeht?«
»Ruf am besten gleich an. Gut gemacht, Wiik. Tschüß!«
Nachdem sie sich einige Male hatte verbinden lassen, erreichte sie einen Kollegen von der Polizei in Piteå, der ihr versprach, im Keller nachzusehen.
Eine Dreiviertelstunde später rief er zurück.
»Der Umschlag ist noch da.« Er klang einsilbig. Vermutlich war er einfach nur gelangweilt.
Elina schwenkte ihre Faust in der Luft und bat ihn, den Umschlag sofort mit der Post zu schicken. »Versuchen Sie ihn eingeschrieben zu schicken, sofern das an einem Sonntag möglich ist.«
Sie lehnte sich zurück und atmete tief durch. Sie fühlte sich glücklich.
44. KAPITEL
Es hatte schon zu dämmern begonnen, als das Auto in die Stadt rollte. Es war Sonntagnachmittag. Kari und Robert hatten auf dem Weg nach Straumsjøen über Nacht in Svolvsær Halt gemacht. Sie hatten beschlossen, ohne Umschweife Leif Oskar Bjerre aufzusuchen und mit ihm zu sprechen. Ihm erst lange hinterherzuspionieren hatte keinen Sinn.
Als er einen älteren Herrn auf dem Bürgersteig sah, bremste Robert. Kari kurbelte das Seitenfenster herunter und fragte nach der Adresse. Ihr Norwegisch war inzwischen fast fließend. Der Mann deutete in eine Richtung und erklärte den Weg.
Auch Bjerres Haus war weiß. Kari bereitete das viele Weiß Unbehagen. Es erinnerte sie an Johannes. Er flößte ihr Angst ein. Sie war davon überzeugt, dass er das Zelt zerschnitten hatte. Sie hatte mit Robert darüber gesprochen. Er hatte seine Zweifel. Johannes? Warum?
Sie parkten und gingen zur Haustür. Kari klingelte mehrmals, aber niemand öffnete.
Sie fuhren ziellos herum, um einen Platz zum Schlafen zu finden. »Bald haben wir kein Geld mehr«, sagte Kari. »Aber ich habe ein Sparkonto. Da sind vielleicht noch ein paar Tausender drauf.«
»Wenn wir ihn ausfindig gemacht haben«, meinte Robert, »können wir nach Hause fahren.«
Außerhalb des Ortes entdeckten sie ein Bed-and-Breakfast-Schild an einer Hauswand. Robert bog in die Auffahrt. Das Zimmer sei frei, und sie könnten es billiger bekommen, denn die Saison sei schon vorbei.
Um acht Uhr abends standen sie wieder vor Bjerres Haus. Es war immer noch niemand da. Um halb zehn unternahmen sie einen weiteren Versuch. Ohne Ergebnis. Der Wind hatte zugenommen. Leif Oskar Bjerre war wie vom Erdboden verschluckt.
45. KAPITEL
Am Montag traf Elina frühmorgens im Präsidium ein. Sie wusste, dass die Post erst gegen Mittag kommen würde, aber sie wollte die Zeit vorher nutzen, um zu klären, ob Ulf Nyman der Mann für sonntags gewesen sein könnte.
Ulf Nyman hatte in dem Sommer, in dem die Sonntagsbesuche stattgefunden hatten, in Sala gewohnt. Wenn er der Besucher gewesen war, dann war er vermutlich mit dem Auto nach Västerås gefahren. Hatte er nur aus Vorsicht bei der Korsängsskola geparkt, damit ihn niemand sah? Oder gab es eine Verbindung zwischen ihm und der Schule?
Trotz einer unendlichen Anzahl von Telefonaten mit verschiedenen Behörden konnte Elina nichts erreichen. Dokumente, mit denen sich beweisen ließe, dass Ulf Nyman etwas mit der Korsängsskola zu tun gehabt hatte, schienen nicht zu existieren. Aber ein winziger Schritt in die richtige Richtung gelang ihr doch: Laut Finanzamt hatte Ulf Nyman im Jahre 1978 ein Einkommen von 4000 Kronen von der Gemeinde Västerås bezogen. Unterlagen darüber, um was für eine Art von Arbeit es sich dabei gehandelt hatte, gab es nicht mehr. Aber vielleicht hatte das ja etwas zu bedeuten?
Die Post kam um zwanzig vor zwölf. Elina zog Schutzhandschuhe an, ehe sie den Brief von Grace Makondele öffnete. Darin lag nur der Umschlag mit den
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