Der Spion und die Lady
die Kleider verabscheute, die sie voneinander trennten.
Über ihnen erbebten die Deckplanken unter schweren Schritten. Sie erstarrten. Das Gewicht des Mannes brachte den ganzen Kahn zum Schaukeln.
Die Schritte kamen näher, immer näher… blieben direkt neben der Luke stehen. Dann ertönte Simmons’ Stimme. Seine Worte waren nicht zu verstehen, wohl aber die Drohungen, die sie enthielten.
Derart abrupt in die Wirklichkeit zurückgeholt, hätte sich Maxie am liebsten geohrfeigt. Was war aus ihrer Entscheidung geworden, jede tiefere Beziehung zu Robin unbedingt zu vermeiden? Sie besaß nicht mehr Verstand als eine Haselmaus.
Langsam zog sie sich von ihm zurück.
Robin umklammerte ihr Handgelenk, aber sie machte sich steif, und er ließ sie sofort los – wenn auch sehr widerwillig, wie sie an der erotischen Trägheit merkte, mit der seine Handfläche über ihr Handgelenk und dann ihren Handrücken glitt.
Die federleichte Berührung war Öl auf die Flammen des Verlangens, die sie bereits zu verzehren drohten.
Als er seine Hand von ihr löste, mußte sie sich dazu zwingen, nicht erneut nach ihm zu greifen.
Aber wenn sie ihn jetzt noch einmal berührte, gäbe es kein Zurück mehr.
Sie zog sich soweit es die Teppiche zuließen von ihm zurück und wünschte, ihr Versteck wäre größer. Ihr Herz hämmerte so laut, daß es Robins heiseren Atem fast übertönte.
Planken knarrten, als Simmons sein Gewicht verlagerte. Dann ein schürfendes Geräusch, als würden Teppiche fortgezogen. Großer Gott, wußte er etwa, daß sich ein weiterer Lukendeckel verbarg?
Vom Bug her rief eine Stimme etwas. Erneut knarrten Planken. Simmons schien sich auf die Stimme zuzubewegen.
Nach einer fast endlosen Stille, in der Maxie insgeheim Stoßgebete zum Himmel schickte, setzte sich das Boot wieder in Bewegung.
Die Geräusche, mit denen sich der Lukendeckel öffnete, weckten Maxie aus tiefem Schlummer.
Dem einfallenden Licht nach schien es bereits Nachmittag zu sein.
Wachsam sah Maxie nach oben, aber es war nicht Simmons, der zu ihnen herabblickte, sondern der Captain.
»Alles in Ordnung da unten?«
»Ja, und dafür sind wir Ihnen sehr dankbar«, antwortete Robin. Er stand auf, schwang sich mit verblüffender Behendigkeit an Deck, drehte sich um und streckte Maxie die Hand entgegen, um ihr heraufzuhelfen. »Ich heiße übrigens Robert Anderson, und das ist meine Frau Maxima.«
Maxie entging nicht, daß es diesmal Anderson war und nicht Andreville. Glücklicherweise besaß er soviel Verstand, nicht mit irgendeinem erfundenen Titel zu protzen. Sie wirkten auch ohne das dubios genug.
Sie blickte sich um und stellte fest, daß der Kahn am Rand einer Schleuse festgemacht hatte. Am Ufer befanden sich ein steinernes Stallgebäude und ein kleines, von einem Blumengarten umgebenes Schleusenwärterhäuschen. Alles wirkte sehr friedlich und sicher.
Der Captain nahm seine Pfeife aus dem Mund.
»Ich heiße John Blaine. Mein Sohn Jamie bringt gerade das Pferd in den Stall.«
Beide Männer schüttelten sich die Hände. »Ich hoffe, Simmons ist nicht allzu grob mit Ihnen umgesprungen«, sagte Robin.
»Nun, er war es.« Hinter der Rauchwolke blitzte ein Lächeln auf. »Fürchte, es hat einen kleinen Unfall gegeben. Der Bursche stolperte über das Tau und fiel in den Kanal. Das hat ihm offenbar den Geschmack an einer Bootsfahrt genommen, denn er ist an Land gekrochen und auf und davon.«
Lächelnd fragte sich Maxie, wie Blaine diesen
»Unfall« initiiert hatte.
»Habt Ihr Lust, uns beim Abendessen Gesellschaft zu leisten?«
Seine Worte erinnerten Maxie daran, daß sie seit ihrem Frühstück mit den Viehtreibern nichts mehr gegessen hatten. War das wirklich erst ein paar Stunden her? »Diese Einladung nehmen wir sehr gerne an.«
John Blaine führte sie in die einfache Kabine, in der das Essen auf dem Tisch stand, das Blaines Frau in Market Harborough vorbereitet hatte.
Glücklicherweise hatte sie sehr großzügige Vorstellungen von den Mengen, die ihren Mann und Sohn vor dem Verhungern bewahrten, und es gab mehr als genug Lammpastete, Brot, Käse und eingelegte Zwiebeln. Während die vier aßen, wehte ein linder Abendwind zur offenstehenden Tür herein.
Als sie fertig waren, stopfte sich Blaine eine weitere Pfeife. »Nun, Mistress Anderson, Ihr sagtet, Ihr könntet alles erklären? Euer Cousin behauptete jedoch, Ihr und Euer Ehemann hättet Euch des Diebstahls und Überfalls schuldig gemacht.« Bei dem Wort »Cousin« zuckte ein leicht
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