Der Spion und die Lady
eine ehrbare junge Lady verwandeln.«
Maxies Hände ballten sich zu Fäusten, aber sie wahrte ihre Beherrschung. »Du hast dich dem Butler als Lord Robert vorgestellt. Ich nahm an, das wäre gar kein richtiger Titel.«
»Du hast behauptet, er sei nicht ›richtig‹. Ich habe es lediglich unterlassen, deine falsche Annahme zu korrigieren«, entgegnete er. »Du hast erklärt, kein Adliger zu sein.«
»Das bin ich im strengen Sinn auch nicht. Wenn mein Bruder sterben sollte, was Gott verhindern möge, würde ich unverzüglich den Titel übernehmen.« Er zuckte mit den Schultern. »Viel Sinn macht das alles nicht.«
»War dein Vater ein Herzog?«
Er schüttelte den Kopf. »Er war der Marquis of Wolverhampton. Ein wenig tiefer auf der Rangleiter.«
»Also hast du dich auf deinem Familienbesitz befunden, als wir uns begegneten.« Sie starrte ihn an, als wäre er ein total Fremder. »Was für ein Mann bist du eigentlich? Von Anfang an hast du mich absichtlich hinters Licht geführt, mich zu der Annahme verleitet, du seist ein heimatloser Streuner, ein Dieb oder etwas noch Schlimmeres.
Wie viele andere Lügen hast du mir noch aufgetischt?«
»Ich habe dir stets die Wahrheit erzählt.« Robin verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und vermied es, sie anzusehen. Er zeigte die übertriebene Beherrschtheit, die entweder auf Nervosität oder Schuldgefühle zurückzuführen war. »Ich räume allerdings ein, in deiner Anwesenheit anderen gegenüber ein paar falsche Angaben gemacht zu haben.«
Ohne nachzudenken griff Maxie nach einer feinen Marmorstatuette. Nur wenige Zentimeter von Robins Kopf entfernt zerschellte sie am Marmorkamin. Porzellansplitter trafen ihn, aber er zuckte mit keiner Wimper.
»Es schert mich nicht das geringste, selbst wenn jedes deiner Worte vom Herrgott persönlich auf Genauigkeit überprüft worden wäre. Du mußt entweder von Juristen oder Jesuiten erzogen worden sein«, rief sie verächtlich. »Deine Absicht war Täuschung, auch wenn du dein sensibles Gewissen durch Verbrämung der Wahrheit beruhigt hast.« Ihr brach die Stimme. »Was für eine Törin war ich doch, dir zu glauben.«
Ihr Schmerz schnitt ihm ins Herz wie ein Rasiermesser. Erschüttert holte er tief Atem. »Du hast recht. Ich habe die Wahrheit dazu benutzt, einen falschen Eindruck zu erwecken. Aber ich schwöre dir, daß es nicht meine Absicht war, dich zum Narren zu halten.«
»Was war dann deine Absicht?«
Sie starrte ihn mit fast verzerrtem Gesicht an, und ihr Schmerz ließ ihn zutiefst bedauern, sie unabsichtlich verletzt zu haben.
Überflüssigerweise wurde die Gegenwart von Bildern ihrer Liebesnacht vor seinem inneren Auge überlagert, von ihrer Anmut, ihrer Großzügigkeit, ihrer Sinnlichkeit und Leidenschaft.
Als sich ihre Blicke trafen, wollte er sie mit einer überwältigenden Intensität. Seine körperlichen und emotionalen Bedürfnisse waren so eng miteinander verwoben, daß er die einen nicht mehr von den anderen trennen konnte. Er hatte sie von jenem ersten Moment an gewollt, als er die Augen aufschlug und feststellte, daß eine bezaubernde, energische Nymphe über ihn gestolpert war.
Aber warum hatte er sich dann so töricht benommen? Wie konnte sich ein für sein Einfühlungsvermögen bekannter Mann derart unsensibel verhalten? Während er in den Tiefen seines Ich nachforschte, wurde die Antwort sehr schnell deutlich. »Ich bin nicht besonders stolz auf Lord Robert Andreville«, brachte er mit Mühe über die Lippen. »Und wenn mir dieser Bursche so wenig gefällt, durfte ich doch wohl kaum annehmen, daß er dir sympathisch ist. Von dem Augenblick an, an dem ich dir begegnet bin, wollte ich mit aller Macht, daß du mich magst.«
Wie sich zeigte, hätte er es schon früher mit der Aufrichtigkeit versuchen sollen – so schwer das auch war. Maxies Körper entspannte sich, ihr Zorn verging. Einen schier endlosen Moment lang sahen sie einander in die Augen.
»Ich verstehe«, sagte sie. Die Wut war verraucht, aber da gab es noch immer diese Leere. Maxie durchquerte den Salon, lehnte sich auf der anderen Seite an den Kaminsims und verschränkte die Arme vor der Brust. »Hast du mich hergebracht, um dir Maggies Zustimmung zu holen?« fragte sie mit fast abwesender Stimme.
»Oder wolltest du ihr nur beweisen, wie tief du gefallen bist, seit sie dich verlassen hat? Es wäre vermutlich unmöglich, eine so schöne und aristokratische Frau wie sie zu finden, daher hast du dich wohl zum Gegenteil
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