Der Steinwandler pyramiden2
wirst du die Kammer zur Unendlichkeit wieder verlassen, wenn du fertig bist?«
»Natürlich, meine Geliebte«, sagte er mit unverstelltem Lächeln, und in dieser Nacht wollte ich es ihm glauben.
Eine Woche später befahl Zabrze der Kolonne, nach Nordwesten abzubiegen. Dort wichen die Wiesen weichem Erdboden, der das Marschieren erschwerte.
Nach einem weiteren Tag war der Erdboden aus Stein.
Flachem, nacktem Stein.
Wir standen in der Spätnachmittagssonne da und hielten die Hand vor die Augen, während wir es uns ansahen. Heißer und erbarmungsloser Wind peitschte von dem Stein in die Höhe, schlug die Gewänder gegen unsere Beine und riß an den Tüchern, die wir um den Kopf geschlungen hatten.
»Nzame hat mein Reich in einen Grabstein verwandelt«, sagte Zabrze.
Es war zugleich ehrfurchtgebietend und furchteinflößend. Ich hatte das Steinland bei der Vision in der Kammer des Träumens gesehen, aber nicht einmal das hatte mich richtig auf den Anblick vorbereitet, der sich mir hier nun bot.
Das Land war tot. Das war der überwältigende Eindruck.
Völlig tot. Es gab keinen Vogel am Himmel, nicht einmal ein Insekt. Darüber hinaus war das Land jetzt ganz flach. Selbst die kargste Ebene weist normalerweise Hügel und Vertiefungen auf. Nicht diese Landschaft. Sand trieb über die Oberfläche hinweg wie auf der Suche nach einem Ort zum Verweilen.
Ich trat an die Trennlinie zwischen dem lebendigen Land und dem toten und ging in die Hocke. Zitternd legte ich die Hand auf einen Stein.
Nichts. Kein Leben.
Boaz legte ebenfalls die Hand auf den Stein. »Hier ist kein Leben«, sagte er. »Nichts.« Er klang verblüfft.
»Und jetzt?« Zabrze sah nacheinander Isphet, Boaz und mich an. »Könnt ihr das Land verwandeln, so wie ihr die Steinmänner verwandelt habt?«
Boaz erhob sich. »Nein. Die Steinmänner sind noch immer lebendig, tief im Inneren des Steins. Nzame hat ihren Lebensfunken nicht getötet, weil er wollte, daß sich der Stein bewegt, seinen Willen ausführt. Aber das Land hat er vollständig getötet. Es tut mir leid, Zabrze. Ich weiß nicht, was ich hier tun könnte.«
Zabrze sah mich an, dann Isphet, aber wir schüttelten beide den Kopf. Seine Züge verhärteten sich, dann riß er sein Pferd herum und winkte die erste Marschreihe heran… auf den Stein.
Sobald wir die Ebene betreten hatten, entdeckten wir, daß sie nicht ganz so glatt war, wie wir erst vermutet hatten.
Gelegentlich gab es Spalten und Risse in der Oberfläche… und alle vierhundert bis fünfhundert Schritt erhob sich eine winzige Ausgabe der Pyramide.
Die Steinpyramiden erreichten manchmal nur die Höhe eines Fingers, dann wiederum halbe Mannesgröße. Aber genau in der Mitte einer jeden Seite einer jeden Pyramide war ein Auge.
Nicht eingeschnitzt oder herausgemeißelt, sondern schwarz und glasig. Es bewegte sich. Es beobachtete.
Keiner von uns konnte ertragen, es sich von nahem anzusehen, nicht einmal Boaz. Wann immer einer der Späher der Vorhut eine von ihnen entdeckte, winkte er die Kolonne rechts oder links vorbei, damit wir in einiger Entfernung daran vorbeikamen. Zabrze mußte aufpassen, daß wir trotz dieses Umherwanderns auch weiterhin strikt nach Norden zogen, und ich glaube, er beobachtete die Sonne und dann den ersten Abendstern genauer als die Felsen um ihn herum.
Wir schlugen unser Lager außer Sicht der Miniatur-Pyramiden auf. In dieser Nacht blieb jeder stumm. Niemand verspürte Lust auf eine Unterhaltung, und wir rollten uns frühzeitig in unsere Decken ein.
Ich lag stundenlang wach, bevor ich endlich einschlief.
Im Traum ging ich durch Wiesen voller goldener, roter und blauer Blumen. Darüber spannte sich ein strahlender Himmel.
Ich spürte die Wärme auf meinem Gesicht und atmete den Harzduft der Bäume des an die Wiesen angrenzenden Waldes ein. Es erinnerte mich an Viland während seiner kurzen Sommer.
Ich ging langsam; ich wußte, daß ich träumte, aber ich hieß diese Flucht vor der Leblosigkeit um mich herum willkommen.
Hinter mir hatte sich etwas bewegt, und ich drehte mich um.
Ich hatte keine Angst.
Dort stand ein hübscher Mann. Er hatte dunkle Züge, ein Südländer, der zu meinem Traum über Viland gehörte.
»Das ist ein grünes und schönes Land«, bemerkte er und blickte sich um.
»Ja. Ja, das ist es. Das ist meine Heimat Viland.«
»Wo du geboren bist? Welch ein Glück du hattest! Sicherlich verzehrst du dich danach, in ein solch schönes Land zurückkehren zu können.«
Sein Eifer
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