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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Versicherung?«
    »Jawohl.« Er
     zeigte mir die betreffende Stelle.
    »War das das einzige
     Dokument, das er Ihnen gebracht hat? Die einzige Absicherung für alle
     Fälle?«
    »Nein.«
    »Sondern?«
    »Er hat ein Testament
     gemacht.«
    »Irgend etwas Ungewöhnliches
     dabei?«
    »Er hat spezielle
     Legate gemacht - der Hauptteil seines Vermögens geht an seine Frau
     und der Rest an seine Schwester.« 
    »Hat er auch gesagt,
     warum?«
    »Er sagte, seine
     Schwester solle alle langfristigen Tantiemen als Einkommen erhalten.«
    »Tantiemen?«
    »Ja.«
    »Tantiemen von was?«
    Zum ersten Mal lächelte
     Weston. »Das weiß ich nicht. Aber John hatte Pläne.«
    »Aber alles, was er
     erfand oder entdeckte, während er für Loftus arbeitete, würde
     doch Loftus gehören.«
    »Vielleicht war das
     einer der Gründe für diesen persönlichen Dienstvertrag.«
    »Aber wenn er in ihren
     Labors arbeitet, dann würde doch sicher…«
    »Vielleicht hatte er
     die Absicht, einen Volltreffer zu landen. Das würde ihm gar nicht unähnlich
     sehen.«
    Ich zuckte die Achseln.
     »Hat er noch weitere Instruktionen hinterlassen?«
    »Einen Umschlag.«
    »Oh?«
    »Einen Umschlag«,
     sagte Weston mit einem Seufzer, »der erst nach seinem Tod geöffnet
     werden darf.«       
    »Sie machen Witze.«
     Ich lachte.
    Er stimmte jedoch nicht in
     mein Gelächter ein.
    »Was ist in dem
     Umschlag?« fragte ich.
    »Das weiß ich
     nicht.«
    »Haben Sie ihn denn
     nicht aufgemacht?«
    »Natürlich nicht.
     Er ist ja nicht tot.«
    »Ist der Umschlag hier?«
    »Ich kann ihn holen«,
     sagte er. »Aber wir dürfen ihn nicht öffnen.«
    »Ich will ihn nur sehen«,
     sagte ich. »Ich möchte ihn berühren und gegen das Licht
     halten, wie ein Weihnachtsgeschenk. Es gibt kein Gesetz, das das
     verbietet, oder?«
    Er holte den Umschlag aus dem
     Safe.
    Es war ein dicker, brauner
     Umschlag, versiegelt mit einem Wachsabdruck. Wie Weston bereits gesagt
     hatte, stand darauf: »Nicht vor meinem Tod öffnen.«
     Unterschrieben und datiert. Es war ein richtiges dickes Paket. Ich konnte
     nicht widerstehen. Ich riß es auf.
    »He!« Weston war
     außer sich.
    »Ich hab’s noch
     nie bis Weihnachten aushalten können«, sagte ich.
    »Sie haben sich
     strafbar gemacht.«
    »Soweit es mich
     betrifft, war der Umschlag bereits offen, als Sie ihn mir gebracht haben«,
     sagte ich. »Und Sie waren ziemlich eingeschnappt, als ich Ihnen
     sagte, Sie hätten nicht hineingucken dürfen.«
    Ich schüttete den Inhalt
     des Umschlags auf den Tisch. Es war ein weiterer Umschlag. Darauf stand zu
     lesen: »Bitte unverzüglich an Marcia Merom, 4901 Washington
     Boulevard, aushändigen.«
    Das war interessant, aber ich
     war nicht in Stimmung für halbe Sachen. Also riß ich auch den
     zweiten Umschlag auf.
    Er war voller Geld.
     Zweiundzwanzigtausend Dollar. In gebrauchten Hundertdollarscheinen.

 
    18
    Ich sah zu, wie Weston das
     Geld wieder in den Umschlag steckte, und unterschrieb ein Papier, auf dem
     stand, daß er mir auf Linns Anweisung hin einen Stapel Dokumente
     ausgehändigt habe und daß ich den Umschlag geöffnet hätte,
     bevor einem von uns aufgefallen wäre, daß ich damit verbotenes
     Territorium betrat.
    Er war damit einverstanden,
     die Sache so durchgehen zu lassen, weil ihm gebrauchte
     Hundertdollarscheine ebenso verdächtig erschienen wie mir. Ganz
     abgesehen von anderen Erwägungen. Und ich war einverstanden damit,
     ihn gehen zu lassen, zurück zu seinem freien Tag. Das Ende unserer
     Begegung fiel weit freundschaftlicher aus als der Anfang.
    *
    Während ich zu meinem Büro
     fuhr, wollte mir die Existenz dieses Umschlags nicht aus dem Kopf gehen.
     »Nicht vor meinem Tod öffnen.«
    Noch etwas, worüber ich
     mir den Kopf zerbrechen mußte. John Pighee schien in der Lage
     gewesen zu sein, etwas vorauszuahnen: nämlich die Notwendigkeit, für
     alle Eventualitäten vorzusorgen. Etwas, was die meisten Leute in
     seiner Situation für zu unwahrscheinlich halten würden, um
     ernsthaft darüber nachzudenken. Was nichts anderes bedeutete, als daß
     seine Situation noch eine Menge Aspekte hatte, die ich nicht kannte.
    Als ich die Treppe zu meinem
     Büro hinaufging, konnte ich sehen, daß etwas nicht stimmte. Ich
     hatte keine Tür mehr.
    »Was zum Teufel ist
     hier los?« fragte ich, als ich eintrat. Aber ich konnte deutlich
     sehen, was los war. Ich hatte meine Tochter am Schreibtisch zurückgelassen.
     Aber nun fand ich an ihrer

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