Der stumme Handlungsreisende
Versicherung?«
»Jawohl.« Er
zeigte mir die betreffende Stelle.
»War das das einzige
Dokument, das er Ihnen gebracht hat? Die einzige Absicherung für alle
Fälle?«
»Nein.«
»Sondern?«
»Er hat ein Testament
gemacht.«
»Irgend etwas Ungewöhnliches
dabei?«
»Er hat spezielle
Legate gemacht - der Hauptteil seines Vermögens geht an seine Frau
und der Rest an seine Schwester.«
»Hat er auch gesagt,
warum?«
»Er sagte, seine
Schwester solle alle langfristigen Tantiemen als Einkommen erhalten.«
»Tantiemen?«
»Ja.«
»Tantiemen von was?«
Zum ersten Mal lächelte
Weston. »Das weiß ich nicht. Aber John hatte Pläne.«
»Aber alles, was er
erfand oder entdeckte, während er für Loftus arbeitete, würde
doch Loftus gehören.«
»Vielleicht war das
einer der Gründe für diesen persönlichen Dienstvertrag.«
»Aber wenn er in ihren
Labors arbeitet, dann würde doch sicher…«
»Vielleicht hatte er
die Absicht, einen Volltreffer zu landen. Das würde ihm gar nicht unähnlich
sehen.«
Ich zuckte die Achseln.
»Hat er noch weitere Instruktionen hinterlassen?«
»Einen Umschlag.«
»Oh?«
»Einen Umschlag«,
sagte Weston mit einem Seufzer, »der erst nach seinem Tod geöffnet
werden darf.«
»Sie machen Witze.«
Ich lachte.
Er stimmte jedoch nicht in
mein Gelächter ein.
»Was ist in dem
Umschlag?« fragte ich.
»Das weiß ich
nicht.«
»Haben Sie ihn denn
nicht aufgemacht?«
»Natürlich nicht.
Er ist ja nicht tot.«
»Ist der Umschlag hier?«
»Ich kann ihn holen«,
sagte er. »Aber wir dürfen ihn nicht öffnen.«
»Ich will ihn nur sehen«,
sagte ich. »Ich möchte ihn berühren und gegen das Licht
halten, wie ein Weihnachtsgeschenk. Es gibt kein Gesetz, das das
verbietet, oder?«
Er holte den Umschlag aus dem
Safe.
Es war ein dicker, brauner
Umschlag, versiegelt mit einem Wachsabdruck. Wie Weston bereits gesagt
hatte, stand darauf: »Nicht vor meinem Tod öffnen.«
Unterschrieben und datiert. Es war ein richtiges dickes Paket. Ich konnte
nicht widerstehen. Ich riß es auf.
»He!« Weston war
außer sich.
»Ich hab’s noch
nie bis Weihnachten aushalten können«, sagte ich.
»Sie haben sich
strafbar gemacht.«
»Soweit es mich
betrifft, war der Umschlag bereits offen, als Sie ihn mir gebracht haben«,
sagte ich. »Und Sie waren ziemlich eingeschnappt, als ich Ihnen
sagte, Sie hätten nicht hineingucken dürfen.«
Ich schüttete den Inhalt
des Umschlags auf den Tisch. Es war ein weiterer Umschlag. Darauf stand zu
lesen: »Bitte unverzüglich an Marcia Merom, 4901 Washington
Boulevard, aushändigen.«
Das war interessant, aber ich
war nicht in Stimmung für halbe Sachen. Also riß ich auch den
zweiten Umschlag auf.
Er war voller Geld.
Zweiundzwanzigtausend Dollar. In gebrauchten Hundertdollarscheinen.
18
Ich sah zu, wie Weston das
Geld wieder in den Umschlag steckte, und unterschrieb ein Papier, auf dem
stand, daß er mir auf Linns Anweisung hin einen Stapel Dokumente
ausgehändigt habe und daß ich den Umschlag geöffnet hätte,
bevor einem von uns aufgefallen wäre, daß ich damit verbotenes
Territorium betrat.
Er war damit einverstanden,
die Sache so durchgehen zu lassen, weil ihm gebrauchte
Hundertdollarscheine ebenso verdächtig erschienen wie mir. Ganz
abgesehen von anderen Erwägungen. Und ich war einverstanden damit,
ihn gehen zu lassen, zurück zu seinem freien Tag. Das Ende unserer
Begegung fiel weit freundschaftlicher aus als der Anfang.
*
Während ich zu meinem Büro
fuhr, wollte mir die Existenz dieses Umschlags nicht aus dem Kopf gehen.
»Nicht vor meinem Tod öffnen.«
Noch etwas, worüber ich
mir den Kopf zerbrechen mußte. John Pighee schien in der Lage
gewesen zu sein, etwas vorauszuahnen: nämlich die Notwendigkeit, für
alle Eventualitäten vorzusorgen. Etwas, was die meisten Leute in
seiner Situation für zu unwahrscheinlich halten würden, um
ernsthaft darüber nachzudenken. Was nichts anderes bedeutete, als daß
seine Situation noch eine Menge Aspekte hatte, die ich nicht kannte.
Als ich die Treppe zu meinem
Büro hinaufging, konnte ich sehen, daß etwas nicht stimmte. Ich
hatte keine Tür mehr.
»Was zum Teufel ist
hier los?« fragte ich, als ich eintrat. Aber ich konnte deutlich
sehen, was los war. Ich hatte meine Tochter am Schreibtisch zurückgelassen.
Aber nun fand ich an ihrer
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