Der stumme Handlungsreisende
alt, lebte allein auf dem Washington Boulevard
Nummer 4901, und er war Techniker bei Loftus Pharmazeutika. In jungen
Jahren war er an Polio erkrankt und konnte sich daher nur auf eine
Metallkrücke gestützt fortbewegen. Er ist dann oben auf der
Feuerleiter hinten an seiner Wohnung ausgerutscht und über das Geländer
gefallen. Aus dem zweiten Stock.« Sie hielt inne.
»Sind in der
Angelegenheit noch irgendwelche anderen Namen genannt worden?
Polizeisprecher, Loftus-Repräsentanten, Verwandte?«
»Da war eine Nachbarin.
Ich habe ihren Namen im Telefonbuch nachgeschlagen und bei ihr angerufen.
Sie war zu Hause!«
»Gut. Was hast du sie
gefragt?«
»Oh«, sagte Sam.
»Ich habe nicht nach dem Mann gefragt, der gestorben ist. Ich habe
sie gefragt, wem das Gebäude gehört. Angeblich, weil ich eine
Wohnung suche.« Ich nickte. »Sie sagte, das Gebäude gehöre
einem Mann namens Walker, und daß im
Augenblick keine Wohnung frei sei. Aber sie hat seine Telefonnummer für
mich nachgesehen und seine Adresse. Ihm gehören nämlich noch
andere Häuser hier in der Stadt.«
»Gute Arbeit«,
sagte ich. »Du hast nicht zufällig gefragt, ob Walker das Gebäude
schon vor vier Jahren gehörte, als Rackey starb?«
»Nein, Daddy, leider
nicht.«
»Schon in Ordnung. Mach
dir keine Gedanken«, sagte ich.
Statt sich Gedanken zu
machen, sagte sie: »Was tun wir jetzt, Daddy?«
Ich zögerte. »Meine
Antwort wird dir nicht gefallen«, sagte ich schließlich.
»Nein? Warum nicht? Was
ist, Daddy? Sag’s mir!«
»Für den
Augenblick tun wir überhaupt nicht viel.«
Sie dachte nach und sagte:
»Wie meinst du das?«
»Wir lassen mal für
eine Weile locker.«
»Aber das ergibt doch
keinen Sinn, Daddy. Wir haben gerade erst angefangen, irgendwelche Dinge
herauszufinden.«
»Du meinst, du hast
gerade erst angefangen, etwas herauszufinden.«
»Aber…«
»Sieh mal, wer ist der
Oberhäuptling hier?«
Sie dachte noch einmal kurz
nach und stellte die richtige Frage: »Mit wem warst du heute morgen
zusammen?«
»Wenn ich sage
lockerlassen…« Ich wurde aber von ihrem versteinerten Gesicht
unterbrochen. »Augenblick mal.« Ich griff zum Telefonhörer
und rief Miller an.
»Al?«
»Ja, Lieutenant Miller.
Mir ist eingefallen, daß ich vergessen habe, Ihnen eine Frage zu
stellen. Es geht um eine Einzelheit zu dem Thema, über das wir uns
heute morgen unterhalten haben.«
»Und was wäre das,
bitte schön?«
»Es geht um einen verdächtigen
Todesfall, der jetzt etwas mehr als vier Jahre zurückliegt. Ein Simon
Rackey, der am 7. Juni 1973 starb, auf dem Washington Boulevard Nummer
4901. Zu der Zeit bewohnte er die Wohnung, in der jetzt Marcia Merom lebt.
Ich hätte gern die Akten, die dieses Unglück betreffen.«
»Du solltest doch die
Finger davon lassen. Leg dich nicht mit Gartland an, Albert.«
»Wie ich bereits heute
morgen deinem Vorgesetzten erklärt habe«, sagte ich, »muß
ich mir eine überzeugende Geschichte für meine Klientin
ausdenken, wenn ihr diese Angelegenheit vom Tisch haben wollt. Ich habe
ihm außerdem versprochen, daß ich mich bei jeder Gelegenheit
mit dir in Verbindung setzen würde. Und bitte verschwende nicht unser
aller Zeit, indem du das Ganze hinauszögerst und begriffsstutzige
Fragen stellst.«
Ich legte auf. Zu Sam sagte
ich: »Wir lassen auf Veranlassung der Polizei von Indianapolis
locker. Aber das heißt nicht, daß wir den Fall los sind -
nicht wirklich.«
Sam war halb erfreut und halb
verwirrt. »Warum legen wir dann überhaupt einen langsameren
Gang ein?«
»Weil, verehrte
Mitarbeiterin und heißgeliebter Sprößling, ich es sage.
Und wenn es dir nicht gefällt, dann such dir einen Job bei einem
anderen Detektivbüro, okay?«
Sie sah mich eine unangenehm
lange Zeit an, ohne etwas zu sagen. Ich hatte das Gefühl, als
versuche sie, mein Ich zu enträtseln. Mein unschuldiges, unverfälschtes,
offen vor ihr liegendes Ich. Schließlich sagte sie: »Also, was
soll ich jetzt tun?«
»Ich möchte, daß
du deine neuen Räder benutzt und deiner Großmutter ein paar
Stunden Gesellschaft leistest. Dann erstattest du mir hier wieder Bericht.«
Sie griff nach ihrem
Notizbuch und ging, ohne ein Wort des Abschieds. Ich schätze, kein
Abschied ist besser als ein langer Abschied.
*
Ich fuhr ins Entropist
Hospital, um Linn Pighee zu besuchen.
»Ich dachte schon, Sie
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