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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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er ein klassischer Sonderling zu sein schien, jemand, den seine Mutter für Klassenfotos fein machte. Der kleine, dünne Mann trug einen zerknitterten Anzug und eine nachlässig geknotete Krawatte. Seine Schuhe waren abgenutzt, die Fingernägel rissig und nicht ganz sauber.
    Er könnte mal wieder zum Friseur gehen. Es war, als spiele er zwar die Rolle eines leitenden Angestellten, wäre aber unendlich viel lieber allein in einem dunklen Zimmer bei seinem Computer.
    Im Gegensatz zu Cassel war Gillespie nervös und konnte die Hände nicht still halten; sie spielten ständig an drei Geräten herum, die an seinem Gürtel hingen - ein BlackBerry, ein PDA und ein kompliziertes Mobiltelefon. Er vermied direkten Augenkontakt -ein Flirt war das Letzte, woran er denken würde, obwohl er, genau wie der Vertriebsleiter, keinen Ehering trug. Vielleicht zog Sterling es vor, die wichtigsten Schaltstellen seiner Firma mit Junggesellen zu besetzen. Mit loyalen Prinzen anstatt mit ehrgeizigen Herzögen.
    Sachs hatte den Eindruck, dass Gillespie über ihre Anwesenheit weniger wusste als Cassel, und er lauschte ihr aufmerksam, als sie die Verbrechen schilderte. »Interessant.
    Ja, interessant. Das ist gerissen. Er baldowert Daten aus, um Verbrechen zu begehen.«
    »Er was?«
    Gillespies Fingerspitzen trommelten hektisch aufeinander. »Ich meine, er sucht sich Daten. Sammelt sie.«
    Keine Silbe zu dem Umstand, dass Menschen ermordet worden waren. War das gespielt? Der echte Killer würde womöglich Entsetzen und Anteilnahme vortäuschen.
    Sachs erkundigte sich nach seinem Aufenthaltsort am Sonntag, und auch er hatte kein Alibi, wenngleich er ausführlich von Korrekturen an einer Software und der Teilnahme an irgendeinem Rollenspiel berichtete.
    »Es lässt sich also nachprüfen, wann Sie gestern online gewesen sind?«
    Ein Zögern. »Oh, ich hab bloß geübt, Sie wissen schon. Ich war nicht online.
    Irgendwann habe ich auf die Uhr gesehen, und da ist

    150
    es schon so spät gewesen. Man ist so weggetreten, dass alles andere irgendwie verschwindet.« »Weggetreten?«
    Er begriff, dass er sich klarer ausdrücken musste. »Oh, ich meine, man nimmt nichts anderes mehr wahr. Weil man so in das Spiel vertieft ist. Als würde der Rest des Lebens einfach verblassen.«
    Auch er behauptete, Myra Weinburg nicht zu kennen. Und es könne sich auch niemand seine Passwörter angeeignet haben, versicherte er. »Falls jemand die knacken will, dann viel Glück - sie setzen sich aus jeweils sechzehn zufällig ausgewählten Zahlen und Buchstaben zusammen. Ich habe sie nie irgendwo notiert. Zum Glück hab ich ein gutes Gedächtnis.«
    Gillespie war ständig »im System«. »Das ist schließlich mein Job«, verteidigte er sich.
    Dann aber runzelte er verwirrt die Stirn, als Sachs ihn fragte, ob er je individuelle Dossiers heruntergeladen habe. »Dazu besteht gar kein Anlass. Wieso sollte ich mir durchlesen, was John Doe letzte Woche in seinem Lebensmittelladen gekauft hat?
    Hallo. . ich habe Wichtigeres zu tun.«
    Er räumte außerdem ein, dass er viel Zeit in den Datenarealen zubrachte, »um die Kisten zu tunen«. Anscheinend gefiel es ihm dort und er fühlte sich wohl - an genau dem Ort, den Amelia gar nicht schnell genug wieder verlassen konnte.
    Auch Gillespie konnte sich nicht mehr entsinnen, wo er während der anderen Morde gewesen war. Sachs bedankte sich, und er ging. Noch bevor er den Raum verließ, hatte er bereits seinen PDA in der Hand und tippte mit beiden Daumen dermaßen schnell eine Nachricht, wie Amelia es nicht mal mit allen Fingern geschafft hätte.
    »Was meinen Sie?«, fragte sie Pulaski, während sie auf den nächsten Freigabe-Kandidaten warteten. »Na ja, ich mag Cassel nicht.« »Das geht mir genauso.«
    »Aber er kommt mir zu penetrant vor, um Fünf Zweiundzwanzig sein zu können. Zu yuppiemäßig, wenn Sie verstehen, was ich meine. Falls er jemanden allein durch sein Ego töten könnte, dann ja. Sofort. . Und Gillespie? Ich bin mir nicht sicher. Er hat sich 150
    bemüht, wegen Myras Tod überrascht zu wirken, aber war er das auch wirklich? Und dann sein hektisches Getue und die komische Wortwahl. Viel eicht war er gestern im wahrsten Sinne des Wortes >weggetreten<.« »Glauben Sie, er nimmt Drogen?«
    »Tja, er war schon ziemlich zappelig. Aber wissen Sie, welchen Eindruck ich habe?«
    »Danach hab ich ja gefragt.«
    »Er ist nicht von Drogen abhängig, sondern hiervon.. « Der junge Beamte vollführte eine ausholende Geste. »Von

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