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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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Schweißperlen auf der Stirn und protestierendem Rücken. Das Fass knirschte und quietschte auf dem nackten Beton. Schwer atmend und mit dröhnenden Ohren hielt er inne.
    Dann rollte er die Handkarre an das Fass Busch-Bier heran, richtete sie auf, trat wieder hinter das Fass. Es gelang ihm, es auf die Kante zu kippen und dahin zu rollen, wo die Handkarre stand. Als er es draufsetzen wollte, verlor er die Kontrolle darüber – das große Fass wog nur ein paar Kilo weniger als Jack selbst. Es landete hart auf der Ladefläche der Handkarre, die mit einem Teppichrest gepolstert war, um solche Landungen zu mildern. Jack versuchte, es zu dirigieren und gleichzeitig seine Hände in Sicherheit zu bringen. Er war zu langsam. Das Fass quetschte seine Finger gegen das Gestänge der Handkarre. Ein qualvoller Schlag, und dann gelang es ihm irgendwie, seine pochenden, hämmernden Finger herauszuziehen. Jack steckte sämtliche Finger seiner linken Hand in den Mund und saugte daran. Tränen standen ihm in den Augen.
    Noch schlimmer als die gequetschten Finger war jedoch, dass er das leise Zischen von Gas hören konnte, das durch das Ventil im Deckel des Fasses entwich. Wenn Smokey das Fass aufhängte und das Bier schaumig herauskam – oder schlimmer noch, wenn das Ventil absprang und das Bier ihm ins Gesicht spritzte …
    Am besten, man stellte sich nicht vor, was dann passieren würde.
    Als er am vergangenen Abend, Donnerstagabend, versucht hatte, Smokey »ein Fass herzuschaffen«, war das Fass regelrecht umgekippt. Das Ventil war quer durch den Raum geschossen. Bier schäumte weißgolden über den Boden des Lagerraums und floss in das Siel. Jack hatte dagestanden, erstarrt und sterbenselend, und Smokeys Gebrüll war an ihm vorübergerauscht. Es war kein Busch, es war Kingsland – das Bier der Königin.
    Da hatte Smokey ihn zum ersten Mal geschlagen. Er hatte ihm einen kurzen, aber so heftigen Schlag versetzt, dass Jack gegen eine der splittrigen Wände des Lagerraums prallte.
    »Was da ausläuft, ist dein Lohn für heute«, hatte Smokey gesagt. »Und es wäre besser für dich, wenn das nicht noch einmal passiert, Jack.«
    Was Jack an dem Satz Es wäre besser für dich, wenn das nicht noch einmal passiert am meisten bestürzte, war das, was er andeutete, dass er noch oft Gelegenheit haben würde, es noch einmal passieren zu lassen; es war, als erwartete Smokey Updike, dass er noch lange Zeit bei ihm bliebe.
    »Jack, beeil dich!«
    »Ich komme«, keuchte Jack. Er zog die Handkarre quer durch den Raum zur Tür, tastete hinter sich nach dem Knopf, drehte ihn und stieß die Tür auf. Sie stieß gegen etwas Großes, Weiches und Nachgiebiges.
    »Pass auf, du Idiot!«
    »Herrje, tut mir leid«, sagte Jack.
    »Ich geb dir gleich ein Herrje, du Arschloch«, erwiderte die Stimme.
    Jack wartete, bis sich die schweren Schritte auf dem Gang vor dem Lagerraum entfernt hatten, und versuchte dann abermals, die Tür zu öffnen.
    Der Gang war schmal und gallengrün gestrichen. Er stank nach Kot, Urin und WC-Reiniger. Hier und dort waren Löcher in den Putz und die darunter liegenden Latten geschlagen worden; die Wände trugen zahllose Aufschriften und Zeichnungen, hinterlassen von gelangweilten Betrunkenen, die darauf warteten, die mit POINTERS und SETTERS bezeichneten Räumlichkeiten aufsuchen zu können. Die größte dieser Aufschriften war mit dickem schwarzem Filzstift quer über die grüne Wand geschrieben; sie schien die ganze dumpfe und ziellose Wut von Oatley herauszuschreien. SCHICKT ALLE AMERIKANISCHEN NIGGER UND JUDEN IN DEN IRAN lautete sie. Der Lärm aus der Gaststube war schon im Lagerraum laut gewesen; hier war er eine riesige Welle aus Schall, die nie zu brechen schien. Jack warf über das auf der Handkarre ruhende Fass noch einen Blick in den Lagerraum, um sich zu vergewissern, dass sein Rucksack nicht zu sehen war.
    Er musste hier heraus. Unbedingt. Das tote Telefon, das endlich gesprochen hatte, das ihn in eine Kapsel aus dunklem Eis einzuschließen schien – das war schlimm gewesen. Randolph Scott war schlimmer. Der Mann war nicht wirklich Randolph Scott; er sah nur so aus, wie Scott in seinen Filmen aus den fünfziger Jahren ausgesehen hatte. Smokey Updike war vielleicht noch schlimmer – aber dessen war sich Jack nicht mehr so sicher. Nicht seit er gesehen hatte (oder gesehen zu haben glaubte), wie die Augen des Mannes, der aussah wie Randolph Scott, ihre Farbe änderten.
    Aber dass Oatley selbst das Allerschlimmste war

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