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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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zunächst auf eine dichte schwarze Wolkenfront, die vom heiligen Berg heranzog, und dann auf die blauen und roten Blitze in Baiyun. Die Stadt lag zwei Kilometer entfernt, doch die blinkenden Signalleuchten der Polizeiwagen waren deutlich zu erkennen. Eine Linie aus Schatten bewegte sich quer über die Felder. Die Hälfte der Stadtbevölkerung schien aus ihren Häusern zu fliehen.
    Shan lief zu seinem Pick-up.
    Als er die Stadt erreichte, sah er mehr als ein Dutzend Polizeifahrzeuge und sechs große Lastwagen, allesamt Mannschaftstransporter der Bewaffneten Volkspolizei, der grünen Affen, die für die Öffentliche Sicherheit die Drecksarbeit erledigten. Er brauchte gar nicht erst nach Meng zu suchen, denn sie stellte sich ihm in den Weg und stieg dann auf der Beifahrerseite ein, als wolle sie Schutz suchen. Die Polizei durchsuchte in Scharen sämtliche Gebäude und trieb die wenigen verbliebenen Einwohner auf dem zentralen Platz zusammen, während andere Beamte am Rand des Feldes standen und die Fliehenden mit lauten Pfeifensignalen zur Umkehr aufforderten.
    Meng wies auf das Chaos. »Willkommen in unserer Musterpioniergemeinde«, sagte sie. »Wenn es nach Major Liang ginge, würde er hier wahrscheinlich alles niederbrennen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Die Leichen. Jemand hat gestern Abend die Leichen gestohlen.«
    Shan überlegte. »Jemand hat Sie gestern Abend angegriffen«, gab er zu bedenken. »Die Polizisten sind angerannt gekommen und haben den Kühlraum unbewacht gelassen.«
    »Der Besitzer des Ladens ist geflohen. Nur ein einziger Umstand hält Liang davon ab, die ganze Stadt zu verhaften.«
    »Die Morde haben offiziell gar nicht stattgefunden«, mutmaßte Shan. »Man kann schwerlich jemanden für den Diebstahl von Mordopfern festnehmen, wenn überhaupt kein Mord gemeldet wurde.«
    »Genau.« Meng beobachtete die schwarzen Wolken, die sich jäh über der Stadt zusammenzogen. »Die heroischen Gesichter unserer Pioniere sollen mit keinerlei Makel behaftet werden. Wir wollen nur …«
    Im ersten Moment glaubte Shan, Meng sei verstummt, weiljemand mit Steinen nach seinem Wagen warf. Dann klang es eher wie Schüsse, die sich bis zum Stakkato eines Maschinengewehrs beschleunigten. Die Leute schrien vor Schmerz auf, zuckten zusammen, griffen sich an die Arme und Schultern, als würde etwas sie stechen. Manche der Einwanderer ließen sich zu Boden fallen und rollten sich zusammen, mit den Händen über den Köpfen. Andere nutzten die nächstbeste Gelegenheit, sich unterzustellen.
    Hagelstürme kamen und gingen in Tibet sehr schnell, aber sie brachten stets Zerstörung und Schrecken mit sich, bisweilen sogar Tod. Shan blickte zum Lager des Reinen Wassers zurück. Der Hügelkamm war leer. Die dropkas mochten die Anweisungen ihres Lagerverwalters ignorieren, aber sie wussten, wie man Wolken las.
    Shan zog sich seinen breitkrempigen Hut tief in die Stirn, sprang aus dem Wagen, schnappte sich zwei der Eimer von der Ladefläche und lief zu den Feldern. Er half einem alten Mann auf, der auf die Knie gefallen war und die Hände vor das blutende Gesicht geschlagen hatte, und hielt einen Eimer über seinen Kopf. Der Mann war im ersten Augenblick verwirrt, packte dann selbst den Eimer und zeigte auf eine Frau, die wenige Schritte entfernt lag.
    »Ich hab sie!«, rief Shan über das Tosen des Sturms hinweg, zog die Frau auf die Beine und schützte ihren Kopf mit dem zweiten Eimer. Wie die meisten der Leute auf den Feldern rannten auch sie nun zu dem offenen Pavillon, der für den Markt errichtet worden war. Shan stieß die Frau unter das Dach und wandte sich wieder dem Feld zu, als der Hagel abrupt aufhörte.
    Manche der Menschen weinten. Ein Esel schrie. Hunde bellten. Die Polizisten schienen ihre Durchsuchungen vergessen zu haben und stiegen zurück in ihre Transporter. Einige starrten verblüfft auf ihre Fahrzeuge. Die meisten der Signalleuchtenauf den Dächern waren zertrümmert worden, desgleichen drei Windschutzscheiben. Aus den Funkgeräten ertönten knisternd zahlreiche Stimmen, manche davon panisch. Ein tibetischer Polizist blickte verängstigt zu dem gewaltigen Berg empor, der drohend über dem Tal aufragte. Der wütende Sturm war vom Yangon gekommen, dem Zuhause der Gottheiten, die das Tal beschützten.
    Shan suchte die Menge ab, entdeckte den Mann mit der Brille, den er beim Damespiel gesehen hatte, und folgte ihm in die Seitenstraße hinter dem bescheidenen Teehaus der Stadt zu einem kleinen Bungalow.
    Als

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