Der Tod des Bunny Munro
Ding bloß nicht. Das ist ein beschissenes Vermögen wert«, sagt der alte Mann, der mit seinen krummen Fingern an seinem Hosenstall herumfummelt und den Reißverschluss zu schließen versucht.
»Entschuldige, Opa«, sagt der Junge.
Die Zigarette zwischen das Gebiss geklemmt, hält der Alte inne und sieht Bunny an, und an seinem Hals hängen die Hautlappen herab wie ausgeleierte Gummibänder.
»Wie hat der mich gerade genannt?«, fragt er und zeigt mit dem Finger auf den Jungen. »Will der mich verscheißern?«
»Er ist dein Enkel, Dad. Das weißt du doch«, entgegnet Bunny. Der alte Mann wendet sich Bunny Junior zu, der zusieht, wie das mechanische Vögelchen auf seiner Stange singt und tanzt.
»Lass den Scheißvogel und komm mal hierher zu deinem Großvater.«
Mit kleinen, vorsichtigen Schritten geht Bunny Junior auf seinen Großvater zu, aber der alte Mann winkt ihn näher heran, beugt sich zu ihm runter und zeigt mit dem Daumen auf Bunny, der sein Zippo auf- und zuklappt und vergeblich seine Jacketttaschen nach einer Zigarette abklopft. »Ich hoffe, du brichst ihm das Herz«, sagt der alte Mann verschwörerisch zu dem Jungen. »Ich hoffe, du brichst es ihm, wie er meins gebrochen hat.«
»Lass ihn in Ruhe, Dad«, murmelt Bunny, »und gib mir lieber mal eine Zigarette.«
»Fick dich ins Knie und kauf dir selber welche«, blafft Bunny Senior und sieht Bunny aus einem gelben, feuchten Augenwinkel an, dann rollt er die Zunge hoch und hustet in sein Taschentuch. Bunny Junior geht wieder zu dem Vogelkäfig und dreht noch einmal den Schlüssel.
»Ich habe grade mit der Frau gesprochen, die sich um dich kümmert. Miss … Wie hieß sie nochmal?«, fragt Bunny.
»Arschgesicht.«
»Sie sagt, du musst ins Krankenhaus, Dad.«
Bunny Senior beginnt zu zittern und zupft an seinen langen, fleischigen Ohrläppchen, dann hebt er seinen Gehstock und schwingt ihn mit zornesrotem Gesicht über dem Kopf.
»Sag der blöden Fotze, wenn sie noch einmal einen Fuß in meine Wohnung setzt, ziehe ich ihr diesen Stock über! Hörst du? Ich steck ihn ihr …« – er macht mit dem Stock eine obszöne Penetrationsgeste und bleckt das Gebiss – »… in den Arsch. Ich zieh ihr die Gedärme raus.«
»Mein Gott, Dad«, sagt Bunny.
»Ich weide sie aus, diese Fotze«, brüllt er und leckt sich mit seiner großen, runden Zunge über die Lippen. Dann hustet er noch einmal ins Taschentuch und hält es Bunny Junior hin. »Siehst du das? Das ist meine Lunge!«, sagt er und zeigt mit dem Stock auf Bunny. »Dein Vater da, dieser Nichtsnutz, den wollte ich zu einem richtigen Geschäftsmann erziehen«, knurrt er. »Hab ihm alles gezeigt, was sich so ein Junge nur wünschen kann …«
»Komm schon, Dad«, sagt Bunny.
»Und jetzt geht er mit Klobürsten hausieren!«
»Mit Schönheitsprodukten.«
»Ein Klinkenputzer, pah!«, stößt der Alte hervor.
»Nach Vereinbarung«, sagt Bunny.
»Jämmerlicher Amateur.«
»Ich arbeite für eine angesehene Firma«, sagt Bunny.
»Du bist der Arsch vom Dienst«, sagt der Alte, steckt den Kopf zwischen die Knie, stöhnt erbärmlich und hustet sich die Seele aus dem Leib. Dann wischt er sich mit dem Taschentuch über die Augen und zieht an der Zigarette.
»Dad, du brauchst medizinische Versorgung«, sagt Bunny.
»Du hast mir das Herz gebrochen. Darauf herumgetrampelt, du kleiner Sack.«
»Dad, du brauchst …«
»Erzähl du mir nicht, was ich brauche.«
Der alte Mann sieht Bunny Junior an, tippt mit dem Finger auf die pockennarbige Knolle in seinem Gesicht und sagt: »Ich war Antiquitätenhändler, Junge. Ich hatte ein Näschen dafür.«
»Dad …«, sagt Bunny.
»Willst du genauso eine Null werden wie der da?«
»Dad …«
Der alte Mann sieht Bunny an und schnaubt.
»Halt dein verdammtes Maul. Du bist nicht mehr zu retten. Ein hoffnungsloser Fall. Aber der Kleine hat vielleicht noch eine Chance«, sagt der Alte und schlägt auf die Armlehnen seines Ledersessels. »Wenn er nur mal zuhören würde …«
Bunny Senior hustet in sein Taschentuch. Er läuft vor Anstrengung blau an und braucht eine Weile, um sich wieder zu fassen, dann werden seine Augen glasig, füllen sich mit Erinnerungen an Verlorenes, und er spricht mit listiger, leiser Stimme.
»Wir waren im Land der Goldesel und haben unser Tuch aufgehalten.«
»Wir gehen jetzt besser, Dad«, sagt Bunny zu dem alten Mann. »Komm, Bunny Boy.«
»Ich hatte ein Näschen dafür. Ich roch es, wenn irgendwo ein Chippendale-Schränkchen stand
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