Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
freundlich.«
»Möchten Sie eine Buchung machen?«
»Äh — nein. Ich muß mir das noch einmal
überlegen.«
»Gut. Ich hoffe, Sie können jetzt
wenigstens schlafen, wo Sie über sämtliche Flüge Bescheid wissen.«
»Bestimmt.«
»Na, dann träumen Sie was Schönes.«
Er glaubte wahrscheinlich, ich gehörte
zu diesen einsamen Menschen, die mitten in der Nacht irgendwo anrufen, damit
sie eine menschliche Stimme hören.
Tony war also in Lima gewesen, in Peru.
Jetzt konnte ich den Ablauf der Ereignisse zumindest grob rekonstruieren.
Tony war am vergangenen Tag irgendwann
nach fünf Uhr abends nach Hause gekommen, und Susana hatte ihn zum
Internationalen Flughafen von Los Angeles gefahren. Er mußte spätestens um halb
acht aus Santa Barbara weggefahren sein, wenn er diesen besonderen Flug hatte
erreichen wollen. Theoretisch hätte er da noch Zeit genug gehabt, um Frank zu
töten. Ich hatte allerdings meine Zweifel. Tony war nicht clever genug, um eine
Möglichkeit zu finden, das Museum zu verlassen, die weder die Polizei noch ich
bis jetzt entdeckt hatten. Aber darüber wollte ich mir später den Kopf
zerbrechen.
Okay, Tony war also nach Lima geflogen
und hatte wahrscheinlich in seinem Hotel oder wo er sonst gewohnt hatte,
geschlafen, als Susana angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, daß Frank tot war —
oder daß die Leiche gefunden worden war. Da seine Abwesenheit Verdacht erregen
mußte, hatte er die nächste Maschine nach Los Angeles genommen, und Susana
hatte ihn den ganzen Tag gedeckt, indem sie einfach nicht ans Telefon und an
die Tür gegangen war.
Aber wäre er zurückgekehrt, wenn er
Frank getötet hätte? Vielleicht — wenn er glaubte, man würde ihn nicht
verdächtigen.
Aber warum dann überhaupt erst nach
Lima fliegen? Steckte jedesmal, wenn Tony sich krank meldete, eine solche Reise
dahinter? Und flog er immer nach Lima oder auch in andere Städte? Und warum
unternahm er diese Reisen?
Was immer auch der Grund war, ich hatte
das Gefühl, daß etwas Verbotenes dahintersteckte.
8
Am folgenden Morgen war die Zeitung
voll von Berichten über den Mord an Frank de Palma. Die Meldungen waren
sachlich, doch ein Unterton der Frage schwang in ihnen. Warum war dies
praktisch am Vorabend der Eröffnung des Museums geschehen? Was hatte der
Direktor noch in den Ausstellungsräumen zu tun gehabt, nachdem das Museum
geschlossen hatte? Gehörte jemand vom Personal zu den Verdächtigen? War es
möglich, daß der Direktor selbst an seiner Ermordung schuld war?
Ich fragte mich, ob die Fragen so
spärlich bemäntelt worden wären, wenn wir nicht ein Minderheitenmuseum gewesen
wären. Und ich fragte mich weiter, was Publicity dieser Art für uns bedeuten
konnte.
Als offizielle Vertreterin des Museums
mußte ich der Familie de Palma einen Kondolenzbesuch machen. Ich pusselte bis
fast elf Uhr im Haus herum, ehe ich mich in den Wagen setzte und nach Norden
hinausfuhr.
Die Familie de Palma lebte in einem
weiträumigen, ebenerdigen Bungalow in einer der Straßen, die sich gewunden zu
einer Anhöhe oberhalb von Santa Barbara Point hinaufzogen. Es war nicht
Montecito, wo Isabel in einsamer Pracht in ihrem Herrenhaus spanischen Stils
lebte, aber es war nicht übel für einen Jungen, der aus dem barrio stammte. Vor zwanzig Jahren hätten die Immobilienmakler jeden mit einem
Nachnamen wie de Palma von dieser Gegend weggelotst. Aber die Zeiten hatten
sich geändert, und Franks Nachbarn fanden es ganz interessant, ein Mitglied der
schicken Kunstszene in ihrer Umgebung zu haben. Ich bezweifelte allerdings, daß
sie Frank zu ihren Festen einluden.
Franks Bruder Robert machte mir die Tür
auf. Er hatte ein griesgrämiges Gesicht mit schweren Hängebacken, und das Haar
fiel ihm in fettig wirkenden Strähnen um den Kopf. In seinen dunklen Anzug war
er hineingepreßt wie die Wurst in die Pelle. Dennoch betrachtete ich ihn mit
neuem Interesse. Das war nicht einfach der dicke Robert; das war auch der Mann,
der zusammen mit seinem Bruder, Vic und Tony dunkle Geschäfte gemacht hatte.
Robert begrüßte mich mürrisch und
führte mich ins Wohnzimmer, einen großen Raum mit vielen schweren
Polstersesseln. An den Wänden hingen abstrakte Gemälde unserer bekannteren
zeitgenössischen Maler. Ich sah sie mir genau wie zuvor Robert mit neuem
Interesse an. Zugegeben, Frank hatte eine Galerie besessen und sich darauf
verstanden, die Preise zu drücken, aber die Bilder konnten dennoch nicht billig
gewesen sein.
Rosa de Palma und
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