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Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Titel: Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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hat über die Stränge geschlagen. Sie ist die älteste
von ich weiß nicht wie vielen Geschwistern. Lauter Jungen. Ihre Eltern
ignorierten sie. Sie wollte einfach Aufmerksamkeit.«
    »Na, die hat sie ja wohl in reichem Maß
bekommen.«
    »Jetzt hören Sie mal, Elena, warum moralisieren
Sie eigentlich so? Sie sind doch selber nicht gerade eine Heilige. Gewiß hat
Maria Fehler gemacht. Aber wenn Sie behaupten wollen, sie hätte mit Franks Tod
etwas zu tun gehabt, dann vergessen Sie’s. Abtreibung ist kein Mord.«
    »Es gibt Leute, die das anders sehen.«
    Die Worte hingen schwer in der Stille
des Raumes. Jesse und ich starrten einander stumm an. Ich wollte nicht mehr mit
ihm streiten. Das brachte uns nicht weiter. Abrupt machte ich kehrt und ging
aus dem Saal.
    Innerlich kochte ich. Meine Zähne waren
so fest zusammengebissen, daß mir der Kiefer weh tat. Meine Hände waren zu
Fäusten geballt, die Fingernägel schmerzhaft in die Handballen gegraben.
Irgendwie mußte ich meinen mühsam unterdrückten Zorn, diese schreckliche innere
Anspannung loswerden. Ich beschloß, in den Keller zu gehen und mich beim
Aufräumen auszutoben.
    Als Kustos in einem Museum muß man
viele solche Arbeiten erledigen. Sie sind oft langweilig, eintönig, schwierig
und ungefähr genauso unterhaltsam wie Fensterputzen. Aber solche Arbeit hat
immer auch etwas Beruhigendes. Wenn ich winzige Staubkörnchen von einem
Standbild entferne oder ein altes Kirchenmanuskript auf Moder durchsehe, gleite
ich unversehens in einen Zustand der Ruhe, in dem ich meine Gedanken wandern
lassen kann, wohin sie wollen. Und genau diese Art von natürlichem
Beruhigungsmittel brauchte ich jetzt.
    Leider mußte ich, ehe ich überhaupt an
unsere Kunstgegenstände herankommen konnte, schuften wie ein Möbelpacker. Im
Keller lag alles in wüstem Durcheinander beisammen, ein Wirrwarr von Kisten und
Kartons und Büromöbeln. Die Trümmer des árbol de la vida lehnten an
einer Kiste in der Mitte des Raums. Auf dem Karton gleich bei der Treppe hatte
jemand eine Taschenlampe liegengelassen. Ich nahm sie mit nach vom. Ich wollte
in der entferntesten Ecke mit meinen Sichtungsarbeiten anfangen. Wenigstens
waren dort die Regale sauber und leer. Ich konnte einige Kartons auspacken und
feststellen, wo welche Dinge untergebracht waren.
    Nur die Gegenstände unserer Sammlungen,
die wir zur Eröffnung ausstellen wollten, hatte ich selbst gepackt. Dank der
großzügigen Spende eines unserer Verwaltungsratsmitglieder hatten wir eine
Umzugsfirma engagieren können, die die übrigen Sachen gepackt und befördert
hatte. Der Haken war nur, daß ich nicht wußte, welche Gegenstände in welchen
Kartons waren. Ich legte die Taschenlampe auf ein Regalbord, um möglichst viel
Licht zu haben, und riß dann den Klebestreifen des nächststehenden Kartons auf.
    Das waren unsere olmekischen
Jadefigurinen. Gut. Die würden sich nach der Eröffnung, wenn ich die
prähispanischen Stücke wegnahm, gut in der großen Glasvitrine ausnehmen. Ich
stellte die Figuren — eine Kreuzung zwischen Menschen und Jaguaren — vorsichtig
auf das Regalbord.
    Der nächste Karton war nicht von der
Umzugsfirma. Ich erkannte ihn überhaupt nicht. Das wunderte mich nicht weiter.
Wir waren ein kleines Museum, dennoch hatten wir tagelang gepackt und mit der
Zeit den Überblick verloren. Ich griff hinein und packte eine Statue der
aztekischen Erdgöttin Coatlicue aus.
    Starrte sie an. Drehte sie in den
Händen. Betastete sie staunend.
    Diese Statue war nicht aus unseren
Sammlungen. Ich hatte sie nie zuvor gesehen.
    Hastig stellte ich sie aufs Regal und
griff nach dem nächsten in Filz eingeschlagenen Gegenstand. Wieder war es eine
aztekische Figur, des Gottes der Blumen und der Musik diesmal. Er blickte mich
durch die Totenmaske an, die diese Gottheit stets trägt. Es war eine
wunderschöne alte Figur, zweifellos sehr wertvoll und mir völlig unbekannt.
    Ich riß die anderen Kartons auf und
fand prähispanische Figuren, religiöse Gemälde aus der Kolonialzeit, spanische
Kreuze, peruanische Goldschmiedearbeiten; silberne milagros — Weihgaben —
wie die, die ich in meiner privaten Sammlung hatte; Graburnen, Tanzmasken, Fruchtbarkeitssymbole.
    Und nicht ein einziges dieser Stücke
hatte ich je zuvor gesehen.
     
     
     

9
     
    Ich hockte mich auf eine Kiste und
betrachtete meinen Fund. Einige Gegenstände, wie die silbernen milagros waren aus Mexiko, die meisten jedoch stammten aus Südamerika. Südamerika, wohin
Tony

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