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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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dick eingestäubten Schreibtischschubladen waren herausgenommen worden, ihr Inhalt – unter anderem auch das Buch, für das sich Morse bei seinem ersten Besuch interessiert hatte – war auf dem Fußboden verstreut. Auch die mittlere Schublade war entfernt worden, und Morse dachte sich, daß Owens es wohl nach dem Diebstahl seiner Akte nicht für nötig gehalten hatte, das beschädigte Schloß zu reparieren.
    Hier oben konnte Morse sonst nichts Interessantes entdecken, und so blieb es bei der einen offenkundigen Schlußfolgerung, daß der Mörder etwas gesucht hatte: Dokumente, Papiere, Unterlagen, die Handhabe für eine Erpressung hätten sein können.
    Genau das, wonach Morse gesucht, und genau das, was Morse gefunden hatte.
    Wehmütig lächelnd betrachtete er das verwüstete Zimmer. Er hatte sich in diesem Fall bereits einige kleinere Schnitzer und natürlich einen großen, folgenschweren Fehler geleistet. Glück im Unglück war es gewesen, daß er auf den kriminellen Sachverstand von JJ hatte zurückgreifen können, denn sonst wären die entscheidenden Hinweise, die er in dem Aktenordner gefunden hatte, jetzt ein für allemal verloren.
    Unten blieb Morse nur noch das Wohnzimmer. Die Küche kannte er schon, und in dem sogenannten »Eßzimmer« hatte Owens offenbar nur selten – wenn überhaupt – eine Mahlzeit eingenommen. Der Raum war voller Staub und mit Gerümpel vollgestellt, das gewöhnlich in Dachkammern und Gartenschuppen verbannt wird. Morse registrierte einen alten elektrischen Heizofen, eine Kohlenkiste, einen Karton mit Sicherungen und Kabeln, einen rotweißen Pylon, ein Uraltradio aus Bakelit, eine ausgestopfte Eule unter einem Glassturz, einen Toilettensitz aus schwarzem Plastik, sechs Stühle, die sich in der Soixante-neuf-Stellung aneinanderschmiegten, und ein Hundehalsband mit einer Plakette, auf der »Archie« stand.
    Womöglich hatte in dem Mann doch etwas Gutes gesteckt?
     
    Morse hatte den Abtransport der Leiche genehmigt und wagte sich nun zum zweitenmal ins Wohnzimmer. Hier lag nicht ganz soviel Staub, aber besonders ordentlich war Owens wohl nie gewesen. Die Oberflächen der Möbel hatten die Leute von der Spurensicherung bestäubt, und die Lage des Toten auf dem Sofa war mit Kreidestrichen gekennzeichnet. Das alles beherrschende Element im Raum aber war Blut – der Anblick von Blut, der Geruch von Blut. All diese Dinge versuchte Morse wie gewöhnlich auszublenden, während er sich umsah.
    Neidisch blieb er vor der schwarzen Revox-Anlage mit CD-Player und Kassettendeck stehen, die auf einem breiten Regalbrett in dem Alkoven links vom Fenster untergebracht war und zu der Dutzende von CDs und Kassetten gehörten, unter anderem, wie Morse anerkennend vermerkte, viel Gustav Mahler. Als er die Play-Taste drückte, erkannte er sofort Das Lied von der Erde.
    Kein Mensch besteht wohl nur aus Schlechtigkeit …
    Auf dem Regalbrett darunter stand eine lange Reihe von Videos: Fawlty Towers , Morecambe and Wise Christmas Shows , Porridge und andere Fernsehklassiker. Bei zwei Kassetten handelte es sich offensichtlich um Pornostreifen. Die freizügigen Posen auf dem Cover von Screwing at H o me ließen vermuten, daß es sich nicht um einen Do-it-yourself-Kurs der Volkshochschule handelte. Das Cover der zweiten Kassette war neutral gehalten, aber der Titel Sux and Fux sprach für sich. Morse, der nur einen Leihfernseher und keinen Videorecorder sein eigen nannte, überlegte gerade, daß sich aus so einem Gerät offenbar doch einiger Gewinn ziehen ließ, als Lewis hereinkam und sogleich angewiesen wurde, sich ebenfalls umzusehen.
    Morse widmete sich inzwischen der Bücherreihe auf der anderen Seite des Alkovens. Hauptsächlich Paperbacks: P. D. James, Jack Higgins, Ruth Rendell, Wilbur Smith, Minette Walters … RAC-Handbuch, Weltatlas, Chambers Diction a ry , Pevsner ’ s Oxfordshire …
    »Sehen Sie mal!« Lewis hatte Screwing at Home in der Hand. »Toller Streifen, Sir. Ich hab ihn mal bei einem Herrenabend von Sergeant Dixon gesehen.«
    »Würden Sie ihn sich denn noch mal ansehen?«
    »Nein, besten Dank. Nach einer Weile werden solche Sachen doch recht langweilig. Aber wenn Sie …«
    »Ich? Na hören Sie mal, da habe ich doch Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel ist es höchste Zeit, daß ich mich mal um Cornford kümmere. Verabreden Sie was, Lewis. Je eher, desto besser.«
     
    Lewis zog ab, und Morse verspürte wenig Lust, sich der Meute der Journalisten und dem Sperrfeuer der Kameras zu stellen,

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