Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Schultern. »Na sauber«, knarzt er.
Während er weiter zum Pissoir torkelt, hat der Hauptkommissar seine Reinigungsaktion weitestgehend abgeschlossen. Wird sich später zeigen, welche Spuren der Magenbitter hinterlässt. Immerhin hat die Cola nicht den Stoff gebleicht oder weggeätzt. Hätte ihn bei den Inhaltsstoffen nicht gewundert.
Der Gestreifte gibt ein Rülpsen von sich, das sich anhört, als hätte sich ein paarungswilliger Elch hierher verirrt. Der Polizist sollte dringend die Blase entleeren. Kleines Gespräch unter Gleichgesinnten im Nasszellenambiente.
Nebeneinander lassen sie es laufen. Der Kerl an seiner Seite schnauft erleichtert, die Nüstern blähen sich. Er schwankt vor und zurück. Tropfen landen auf seinen Schuhen. Nebenan, hinter geschlossener Tür, furzt einer die Tonleiter rauf und runter. Unterscheidet sich unwesentlich von der Musik im Schankraum.
»Ich hab den Fuhrer Bene gut gekannt«, wirft der Sandner in den Raum. Beide Männer beglotzen das hellblaue Fliesenmuster. »Schad, dass der so lang einsitzt, wegen so einer blöden Geschichte. Todkrank ist er ja auch.«
»Des is ned schad – des is a Sauerei«, kommt die gegrölte Erwiderung, während der Angesprochene mit dem Hosenstall kämpft. Sein Gleichgewichtssinn ist im Kampfeinsatz.
»Eine große«, bestätigt der Sandner.
»Ich sag bloß eins.« Der Mann hält dem Sandner seinen Zeigefinger unter die Nase und unterdrückt ein erneutes Rülpsen. Das letzte Mal hatte sich dem Sandner ein Gesicht so dicht dem eigenen genähert, als seine Maria ihn abbusseln wollte. Der Verdacht kommt hier nicht auf. Der Mann konzentriert sich. Die Augäpfel drängen aus den Höhlen. Der gereckte Finger stupst dem Sandner auf das Brustbein, als wäre eine Zielscheibe aufgemalt. Wenn er bloß nicht losspeit! Zwei Anläufe braucht er für den ersten Buchstaben.
»Der war’s ned!«, bringt er heraus. Er schüttelt den Kopf. »Na, na.«
»Sondern wer?« Der Sandner fragt beiläufig, während er an seinen Hosenknöpfen fummelt. Er tritt einen halben Schritt zurück. Weiter geht’s nicht, er spürt die Fliesen im Rücken. Der Gestreifte quält nochmals die schwere Zunge.
»Wurscht, aber der ned, so wahr ich da vor dir steh.«
Nur leider steht er nicht mehr, sondern ist schon wieder draußen aus dem Scheißhaus. Ohne Händewaschen. Der Sandner lässt sich Zeit. Kaltes Wasser schöpft er sich ins Gesicht. Ein gutes Gefühl. Er seufzt auf. Den Gestreiften wird er sich noch vorknöpfen. Vielleicht nur ein Windei – vielleicht auch nicht. Er schickt der Wiesner eine SMS. Neuigkeiten? Kann er sich kaum vorstellen.
Wie er wieder aus dem stillen Örtchen herauskommt, ist sein Hocker besetzt. Überraschung! Sein Nachbar hat sich verzupft. Dabei hatte der nach Kneipenmobiliar ausgesehen. Zwei junge Burschen fläzen sich auf den warm gesessenen Hockern über den Tresen. Strähnig-blonde Schöpfe, blasse Gesichter, Kreolen im Ohrläppchen. Könnten Brüder sein. Gerade stellt ihnen der Wirt das Weißbier vor die Nase. Synchron setzen sie die Gläser an.
Der Sandner hat dafür keinen Blick. Er sucht seine Jacke. Die ist über der Lehne gehangen. Vor drei Minuten noch. Nichts. Er greift einen der Männer bei der Schulter.
»Wo ist meine Jacke hin?«
»Keine Ahnung.« Der Bursche schüttelt die Hand ab. So darfst du ihm nicht kommen.
»Die war doch grad noch da«, beharrt der Polizist.
»Glaubst du, wir ham sie gfressen, oder was?«
»Die muss da sein!«
Die beiden lassen sich herab, einen Blick zu ihren Füßen zu werfen.
»Niente. Vielleicht irgendwo vergessen? Kommt vor.«
»Redets keinen Schmarrn!«, knurrt der Sandner und wirft wilde Blicke durch den Raum.
Von beiden Tresenhockern wird er angegafft, wie ein vorlautes Kind. Die Männer nehmen vorbereitend gerade Haltung an. Wer nach Ärger fragte, bekäme hier die passende Auskunft gratis. Der Schalter ist justamente geöffnet worden.
Der Sandner hat die Burschen ausgeblendet. Er ist fassungslos. Schweiß bricht ihm aus. Von der Jacke keine Spur! Geschweige denn von ihrem Inhalt.
Die Dienstwaffe! Das darf noch nicht wahr sein! Seine Schockstarre dauert nur einen Augenblick. Wie kann man so brunzblöd sein und seine Jacke in einer Pinte wie dieser unbeobachtet zurücklassen? Es hätte nur zwei Sekunden gedauert, sie sich überzuhängen. Nur zwei verdammte Sekunden! Bloß weil dieses dämliche Wiesel ... hockt auch nicht mehr an seinem Platz. Er ist schlagartig nüchtern. Gedanken schießen ihm
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