Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
probiert?«
»Bei jeder hat er den Stenz rausgekehrt, der Weiberer, der windige. Der Vater vom Bene junior is auf jeden Fall der Fuhrer. Wie aus dem Gsicht gschnittn schaut der Kloa aus.«
Das Gespräch gleitet wieder ins ultimative »Ja, so is« ab. Der Sandner wartet, bis der Vinzent seine Flasche leer getrunken hat. Gemeinsam erheben sie sich und schütteln sich die Hände. »Kannst gern amal wieder vorbeischauen, Seppe.«
Der Hauptkommissar nickt ihm lächelnd zu. Vinzents Händedruck ist fest und ehrlich.
M it Lächeln werden der Jonny und die Wiesner nicht weiterkommen. Berg am Laim. Nicht weit vom Ostbahnhof entfernt biegen sie gerade in eine kleine Nebenstraße. Häuserzeilen aus den Sechzigern, Flachdächer, gelbbraune Fassadenfarbe. Ab und zu Tags und Kritzeleien irgendwelcher Möchtegerngangster an den Mauern, die Berg am Laim mit der Bronx verwechseln. Mit einem Unterschied: In der Bronx wäre das große Mundwerk nebst Besitzer längst zurechtgehauen worden, und hier schmiert die Mutter jeden Morgen dem Hascherl das Marmeladenbrot und spart sich vierteljährig das neueste iPhone für ihn vom Mund ab. Alles andere wäre ja bitterste Armut.
»Was erwartest du von diesem Perisic genau?«, will der Jonny wissen. »Wollen wir den einsacken?«
»Nein – pass auf. Der Yilmaz hat den Perisic zamfallen lassen, vor zwei Jahren. Ziemlich heftig, der Perisic musste ins Krankenhaus. Dafür ist er verhaftet worden, weil der Perisic ihn angezeigt hat. Aber flugs hat er die Anzeige zurückgezogen. Einfach so? Ich will wissen, warum, oder besser gesagt, wer ihn dazu gebracht hat. Verstehst? Weil, dann hätten wir vielleicht einen Namen. Jemand, dem das Wohl des Yilmaz am Herzen lag.«
»Und der vielleicht jetzt umdisponiert hat mit dem Wohl?«
»Schon möglich.«
Die Wiesner parkt in zweiter Reihe. Als sie an der Haustür angekommen sind, wird sie gerade aufgestoßen. Eine ältere Dame erscheint samt struppiger Promenadenmischung. Die Polizistin drängt sich an ihr vorbei. Der Jonny hat weniger Glück.
»Sie brauchen gar nicht daherkommen mit Ihrem Bibelschmarrn«, herrscht sie ihn an. »Fromm daherreden und dann die kleinen Buben ... na, seids doch alle dieselben.« Der Hund beginnt zu kläffen, und sein Pelz sträubt sich, als wäre er eine verkleidete Katze. Der Jonny arbeitet sich schweigend an ihr vorbei. Die Stunden bei Brauner scheinen ihm eine alternative Sicht auf betagte Menschen gegeben zu haben – zumindest eine rücksichtsvolle Haltung.
»Zu wem wollen’S denn überhaupt?«, keift sie den Ermittlern hinterher. Die sind bereits fündig geworden. Es ist eine Erdgeschosswohnung. Perisic. Auf das Läuten der Wiesner wird sofort die Tür aufgerissen. Ein Bub mit verschmiertem Schokoladenmaul steht vor ihr.
»Ist dein Papa da«, schnurrt die Wiesner, »wir sind von der Polizei.«
Der Kleine reißt die Augen auf. Schlüsselreiz. Brüllend verschwindet er blitzschnell in den Eingeweiden der Wohnung.
Die beiden Beamten schauen sich an. Dann wagt der Jonny einen Schritt nach vorn, und die Hölle bricht über ihn herein. Eine kunstrotmähnige Frau springt aus einem Eck und schmeißt sich ihm entgegen. Sie fährt die Krallen aus und schlägt sie in sein Hemd. Beim Versuch, ihre Hände zu lösen, reißt sie ihm das gute Stück in Fetzen. Knöpfe fliegen umher. Sie keucht und faucht, als gälte es, den Jonny hier und jetzt zu zerfleischen und auszuweiden. Einen Moment starrt die Wiesner fassungslos auf die verknoteten, kämpfenden Leiber. Sie müsste dem Jonny helfen, irgendwo reinpacken in das Knäuel. Sie zögert, in die Arena zu steigen.
Im Hintergrund öffnet sich eine Tür, und ein Kopf schiebt sich heraus. Dann hetzt die ganze Gestalt über den Flur. Der Hausherr. Offenbar war er gerade auf der Kloschüssel gesessen, weil er sich beim Laufen die Hose hochzieht. Mehr ein Hoppeln ist es. Hoffentlich Hände gewaschen. Er reißt sich eine Jacke vom Haken und verschwindet flugs in einem Zimmer. Der Wiesner schießen die Fluchtwege durch den Kopf. Die Haustür scheidet aus. Erdgeschoss – er kann nur eine Möglichkeit haben! Vor ihr versucht der Jonny, die Bestie zu bändigen und in die Wohnung zu schieben.
»Polizei!«, plärrt er. »Loslassen!«
Seine Gegnerin denkt nicht dran – im Gegenteil. Sie steigert ihr Engagement. Es schaut aus wie verbissenes Freistilringen. Ausgang offen. Vielleicht sollte er sie schlicht niederschlagen. Vollendete Notwehr.
Die Wiesner überlässt den Kämpfer seinem
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