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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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legte sie es neben die Briefe auf den Tisch.
    »Es ist nichts Besonderes«, sagte sie. »Aber es ist für dich. Ich habe es mit zehn Jahren in der Schule gemacht. Und jetzt bekommst du es.«
    Er machte sich vorsichtig an dem flachen Paket zu schaffen, machte aber keine Anstalten, es zu öffnen.
    »Du solltest nicht ...«, murmelte er.
    »Wenn ich dir etwas geben möchte, dann nimmst du das gefälligst an«, fiel sie ihm wütend ins Wort. »Ich nehme deine Briefe, und du nimmst mein Märchen, okay?«
    Denn es war ein Märchen. Eine Bildergeschichte über einen unglücklichen Vogel, an der sie in der vierten Klasse fast ein ganzes Schuljahr hindurch gearbeitet hatte. Sie hatte geschrieben und gezeichnet und gemalt. Sie hatte die Geschichte ihrer Mutter oder Helmut zu Weihnachten schenken wollen, aber aus irgendeinem Grund hatte sie sich die Sache dann anders überlegt.
    Ob sie sich damals gestritten hatten oder was es sonst für einen Grund gegeben haben mochte, wusste sie nicht mehr. Als ihr das Märchen am Vorabend eingefallen war, war ihr das als Omen erschienen. Sie konnte es also ihrem Vater schenken. Ein düsteres Märchen mit einem glücklichen Ende.
    Sie trat ans Fenster und wartete. Beschloss, kein Wort mehr zu sagen und das Zimmer auch nicht zu verlassen, bevor er sich nicht gerührt hatte. Sie wollte einfach stehen bleiben und sich stur stellen, wie ihre Mutter das getan hatte, wie er das tat. Sich stur stellen. Egal, wie lange. Scheißegal.
    Nach zwei Minuten räusperte er sich und erhob sich. Lief einige Male unschlüssig im Zimmer hin und her. Blieb an der Tür stehen. »Ich möchte nach draußen gehen«, sagte er. »Um diese Zeit mache ich immer einen Spaziergang durch den Park.«
    »Ich komme mit«, sagte Mikaela Lijphart. »Und ich will, dass du mir alles erzählst. Vorher gehe ich hier nicht weg, ist das klar?«
    Wortlos ging ihr Vater aus dem Zimmer.

8
    10.—11. Juli 1999
     
    »Am Montag geht’s also weiter?«, fragte Mikael Bau. »Willst du mir das sagen?«
    Ewa Moreno nickte und trank noch einen Schluck Wein. Merkte, dass sie bereits ein wenig beschwipst war, aber warum auch nicht? Es war der erste Abend ihres vier Wochen langen Urlaubs, und sie wusste nicht mehr, wann sie es sich zuletzt erlaubt hatte, ihre Hemmungen wegzutrinken. Sicher war es Jahre her. Was für Hemmungen übrigens?
    Am nächsten Tag würde sie ausschlafen können. Ein Handtuch nehmen, die hundert Meter zum Strand gehen. Im Sand liegen und den ganzen Tag lang Sonne tanken. Sich ausruhen und faulenzen und sich von Mikael umsorgen lassen, genau, wie er das versprochen hatte.
    Und ein paar Stunden Arbeit übermorgen könnten doch nicht so schlimm sein? Und auch noch nachmittags, das Ausschlafen würde dadurch nicht beeinträchtigt werden.
    »Stimmt«, sagte sie. »Nur ein paar Stunden. Er war nicht so kooperativ, wie er versprochen hatte, dieser Schleimscheißer von Lampe-Leermann.«
    »Schleimscheißer?«, fragte Mikael Bau und runzelte die Stirn. »Wir merken, dass die Frau Inspektor ein wenig off the record redet.«
    Off the record?, wiederholte sie in Gedanken und machte es sich auf dem eingesunkenen karierten Sofa bequem. Vielleicht, aber zum Henker, sie hatte ja schließlich Urlaub. Mikael Bau
lag auf dem anderen Ende des riesigen Möbelstücks und hielt ungefähr so viel Körperkontakt zu ihr, wie beim geruhsamen Verdauen anzuraten war. Er hatte natürlich einen Fisch aufgetan, wie er versprochen hatte. Und nicht irgendeinen Fisch — sondern eine Seezunge, die er à la meunière mit einer göttlichen Soße aus Weißwein und Krebsschwänzen angerichtet hatte. Es war ihr fast schwer gefallen, sich mit diesem Luxus abzufinden. Alles zu genießen und seinen Kochkünsten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es war schon seltsam, das mit der Offenheit... warum war das nur so schwierig?
    Als sie das ihm gegenüber angesprochen hatte, hatte er nur gelacht und mit den Schultern gezuckt.
    »Iss«, hatte er gesagt. »Du brauchst hier nicht in gebundener Sprache zu sprechen.«
    Sie trank einen Schluck. Lehnte den Kopf an das Sofapolster und merkte, dass ihr ein albernes Lächeln auf den Lippen lag. Das sich von dort offenbar auch nicht entfernen wollte.
    »Frank Lampe-Leermann ist ein Schleimscheißer«, erklärte sie. »Ob off oder on the record spielt keine Rolle.«
    Mikael Bau blickte leicht skeptisch.
    »Aber warum gerade du? Ein Schleimscheißer kann doch von aller Welt verhört werden.«
    »Vermutlich aus demselben Grund,

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