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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Geldinstitut aussah, am Abend um 6   Uhr verlassen und wäre dann zu Fuß zum Hyatt Regency gegangen, um dort einen Drink zu nehmen. Aber er hatte noch zwei Vorgänge zu erledigen, und da er sie nicht für den nächsten Vormittag aufheben wollte, blieb er noch eine weitere Stunde.
    So saß er noch an seinem Schreibtisch, als der betagte arabische Bürodiener mit dem Aktenkarren, auf dem Ausdrucke des Computers der Bank gestapelt waren, durch den Korridor kam und die entsprechenden Ausdrucke in den einzelnen Büros zur Einsichtnahme am nächsten Morgen hinterlegte. Auf diesen Bogen waren die Transaktionen aufgeführt, die die verschiedenen Abteilungen der Bank an diesem Tag getätigt hatten. Bedachtsam legte der alte Mann ein Bündel davon auf Laings Schreibtisch, machte eine nickende Kopfbewegung und zog sich zurück. Laing rief ihm ein fröhliches »Schukran« nach – er tat sich viel darauf zugute, dem saudiarabischen Personal gegenüber höflich zu sein – und nahm seine Arbeit wieder auf.
    Als er fertig war, warf er einen Blick auf die Papiere neben ihm und seufzte ärgerlich. Er hatte die verkehrten Ausdrucke bekommen. Es waren die detaillierten Unterlagen über die Zahlungsbewegungen auf allen Großkonten, die bei der Bank unterhalten wurden. Dafür war der Operations Manager zuständig, nicht die Kredit- und Marketing-Abteilung. Laing nahm die Ausdrucke und ging langsam durch den Korridor zum leeren Büro des »Ops Managers«, Mr.   Amin, seines pakistanischen Kollegen.
    Unterwegs dorthin warf er erneut einen Blick in die Papiere, und irgend etwas nahm seine Aufmerksamkeit gefangen. Er blieb stehen, machte kehrt und begann die Ausdrucke durchzugehen. Immer wieder zeigte sich das gleiche Muster. Er schaltete seinen Computer an und befahl ihm, zwei Kundenkonten auf den Bildschirm zu holen. Beide Male das gleiche Bild.
    In den frühen Morgenstunden stand für ihn fest, daß es keinen Zweifel geben konnte. Hier mußte es sich um ein groß angelegtes Betrugsmanöver handeln. Die Übereinstimmungen waren zu phantastisch. Er legte die Ausdrucke auf Mr.   Amins Schreibtisch und beschloß, bei der ersten Gelegenheit nach Riad zu fliegen und mit General Manager Steve Pyle, seinem amerikanischen Landsmann, ein persönliches Gespräch zu führen.
    Während Laing durch Dschiddahs dunkle Straßen nach Hause ging, lauschte acht Zeitzonen weiter westlich das Komitee im Weißen Haus Dr.   Nicholas Armitage, einem erfahrenen Psychiater der behavioristischen Schule, der gerade aus dem Mansion in den Westflügel herübergekommen war.
    »Meine Herren, ich muß Ihnen sagen, daß der Schock die First Lady, wie es im Augenblick scheint, schlimmer getroffen hat als den Präsidenten. Sie wird von ihrem Arzt noch immer medikamentös behandelt. Der Präsident ist geistig sicher der Robustere, aber ich fürchte, daß sich die Belastung allmählich bemerkbar macht. Die Symptome des nach der Entführung bei den Eltern entstehenden Traumas beginnen sich zu zeigen.«
    »Welche Symptome, Doc?« fragte Odell ohne Umschweife. Der Psychiater, der es nicht gern hatte, daß man ihn unterbrach und derlei nie erlebte, wenn er vor Studenten sprach, räusperte sich.
    »Sie müssen verstehen, daß in solchen Fällen die Mutter ihrem Kummer mit Tränen, sogar mit hysterischen Ausbrüchen Ausdruck geben kann. Bei einer Frau wird das akzeptiert. Der männliche Elternteil leidet häufig noch mehr, da er, außer der ganz normalen Angst um das entführte Kind, tiefe Schuld empfindet, sich Vorwürfe macht, überzeugt ist, daß er irgendwie dafür verantwortlich sei, daß er mehr tun, mehr Vorkehrungen hätte treffen sollen.«
    »Das ist doch ganz unlogisch«, protestierte Morton Stannard.
    »Hier geht es nicht um Logik«, sagte der Psychiater. »Hier geht es um die traumatischen Symptome, verschlimmert dadurch, daß der Präsident seinem Sohn sehr nahesta … nahesteht, ihn wirklich aus ganzem Herzen liebt. Nehmen Sie dazu noch das Gefühl der Hilflosigkeit, die Unfähigkeit, irgend etwas zu unternehmen. Da sich die Kidnapper nicht gemeldet haben, weiß er ja vorläufig nicht einmal, ob der junge Mann überhaupt noch am Leben ist. Wir stehen zwar erst am Anfang, aber bessern wird es sich nicht.«
    »Solche Entführungen können sich über Wochen hinziehen«, sagte Jim Donaldson, »und dieser Mann ist schließlich unser Präsident. Welche Veränderungen sind zu erwarten?«
    »Der Druck wird etwas nachlassen, wenn der erste Kontakt mit den Kidnappern

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