Der Untoten Zaehmung
Kehle durchgeschnitten hatte, waren eine dünne, fast abgeheilte Narbe und das überall verteilte Blut.
Die Gasse war leer; ein kühler Wind wehte hindurch. Die Feuchtigkeit ließ die Pflastersteine glitzern. Der Herbst beherrschte die Stadt.
Verstohlene Schritte erklangen, und Will kam langsam wieder auf die Beine. Wenn ihn jemand so sah, würde es mehr Fragen geben, als er beantworten wollte. Also riss er sich ein Stück Stoff aus seinem Leinenhemd und wickelte es wie einen Verband um seinen Hals.
Eine bedeckte Wunde und jede Menge Blut konnte man erklären. Keine Wunde und jede Menge Blut, und die Leute würden sich fragen, wen und wie viele er getötet hatte.
Will bewegte sich vorwärts. Er wollte die Gasse auf der anderen Seite verlassen und herumfragen, ob jemand den Jungen kannte. Aber bevor er die nächste Kreuzung erreicht hatte, versperrte ihm ein Mann den Weg.
»Uurgh«, sagte er.
»Sackerlot«, murmelte Will. Wie viele dieser verfluchten Kreaturen waren heute Nacht unterwegs?
Die Kreatur begann, sich ihm zu nähern. Bevor Will darüber nachdenken konnte, stolperte er einen Schritt zurück und stieß gegen eine weitere.
»Glurk«, sagte diese.
Während Will herumwirbelte, griff er nach seinem Dolch. Er würde nicht viel nützen, aber irgendetwas musste er in der Hand haben.
Die Frau war schwer, etwa achtzig Kilo, und wirkte muskulös. Wahrscheinlich war sie im Leben die Frau eines Bauern oder vielleicht eines Steinmetzen gewesen. Obwohl ihre Haut grau war – das Grab hatte diese Wirkung – , war ihr Gesicht so gut wie faltenlos und schien einst recht ansehnlich gewesen zu sein.
Bevor ihr das linke Auge weggefault war.
Will wich erneut einen Schritt zurück und stieß wieder gegen den Ersten. Was dieser einst gewesen war, bevor er zu einem Zombie wurde, war schwer zu sagen. Seine Kleidung war abgefallen. Sein Körper hatte Löcher, wo keine sein sollten. Er besaß immer noch die meisten seiner Zähne, was die Art und Weise, wie er seinen Mund öffnete und schloss, nur umso erschreckender machte. Die Zähne schnappten zusammen, als würde er zu Tode frieren. Vielleicht war er ja so ums Leben gekommen.
Er öffnete seine Arme, als ob er sein Gegenüber umarmen wollte, aber Will wusste es besser. Zombies hatten keine Gefühle. Sie verstanden nur das, was man ihnen befahl, und man hatte ihnen sicherlich nicht befohlen, Will Shakespeare zu umarmen.
Will duckte sich und wich aus. Er konnte nur annehmen, dass der weibliche Zombie im gleichen Moment ebenfalls einen Versuch machte, ihn erst zu fangen und dann zu töten. Stattdessen verfingen sich die beiden ineinander.
Als Will sich wieder aufgerichtet hatte, rollten sie über das glitschige Pflaster, knurrten und traten, bissen und schlugen um sich. Fleischfetzen und lose Haarbüschel flogen umher. Das Geräusch der zwei Körper, die gegeneinanderstießen, war Übelkeit erregend. Da Zombies keine Schmerzen spürten, konnte das jetzt tagelang so weitergehen.
Wider besseren Wissens versuchte es Will mit einem »Haltet ein!«
Doch da er sie nicht geschaffen hatte, hörten sie nicht auf ihn. Er beschloss einzugreifen und wollte die beiden voneinander wegzerren, was jedoch nur dazu führte, dass sie ihn bissen!
Es war ein Mythos, dass der Biss eines Zombies das Opfer selbst in einen verwandelte. Es tötete ihn nur.
Es schien etwas Giftiges im verfaulten, widerlichen Maul eines Zombies zu geben, das die Wunde verseuchte. Innerhalb von Tagen lag der Betroffene im Grab. Aber entgegen dem allgemeinen Aberglauben, erhob er sich ohne Hilfe nicht wieder daraus.
Auch wenn ihm eine solche Infektion nichts anhaben konnte, wurde Will nicht gerne gebissen. Er hatte sich gerade erst davon erholt, getötet worden zu sein.
Will versuchte erneut, die beiden zu trennen, bevor sie sich gegenseitig den Kopf von den Schultern rissen. Er wollte sie nicht ganz tot haben. Er musste wissen, wie ihre Befehle lauteten und wer sie ihnen gegeben hatte. Da sie, abgesehen von dem unaufhörlichen Gefasel über Ge-ge-ge- und ein wenig Kauderwelsch, nicht viel sagen konnten, musste er ihnen folgen. Und das würde verdammt schwierig werden, wenn sich ihre Asche im Wind zerstreute.
Doch bevor Will sie gut zu fassen bekam, hörte er etwas hinter sich. In der Erwartung weiterer Zombies wirbelte er herum – und erblickte den Jungen. Wie konnte er so dicht hinter ihm stehen, ohne dass Will ihn bemerkt hatte? Er konnte sogar den Puls des Jungen hören. Der war nah genug herangekommen,
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