Der Untoten Zaehmung
ich das Werk nicht so schnell beenden würde.«
Will drehte sich fort und schnürte sein eigenes Wams zu. »Ein Versepos vielleicht. Ich wollte schon immer eines schreiben.«
Er ging vor mir aus dem Raum, und seine Gedanken waren bereits in dieser neuen Idee verloren.
24
»Ich bin ein Mann,
an dem man mehr gesündigt, als er sündigte.«
König Lear (3. Akt, 2. Szene)
E dward Alleyn war nicht gerade begeistert, als er erfuhr, dass Will kein neues Stück zur Hand hatte. Will wollte ihn beschwichtigen, indem er ihm die besten Zeilen seines neuen Gedichts vortrug, aber Ned war nicht in der Stimmung, ihm zuzuhören.
»William, mich interessiert Euer Sonett nicht!«
»Es ist ein Versepos«, murmelte Will.
Edward Alleyn warf ihm einen finsteren Blick zu, und ein finsterer Blick von diesem Mann war in der Tat recht bedrohlich. Wenn Will nicht insgeheim ein unsterblicher Vampir gewesen wäre, hätte ihn der Anblick eingeschüchtert.
Alleyn war einer der größten Schauspieler ihrer Zeit, und auch wenn Will den Mann für einen aufgeblasenen Angeber hielt, teilten die Massen seine Meinung nicht.
Ned war größer als die meisten und hatte ein langes, bärtiges Gesicht, das innerhalb weniger Momente von äußerster Freude zu immenser Trauer wechseln konnte. Seine tiefe, gebieterische Stimme erreichte mühelos jeden Winkel des Rose-Theaters .
»Mir wird schon bald etwas zufliegen«, sagte Will. »Das ist immer so.«
»Wie fliegt es euch denn zu?«, fragte Ned.
»Wenn ich das wüsste, würde es nicht mehr kommen.«
Seine Worte brachten ihm einen weiteren finsteren Blick ein. »Könnt Ihr den Vorgang irgendwie beschleunigen? Ich zahle Euch auch mehr.«
»So funktioniert das nicht. Aber ich werde mir bald etwas ausdenken.«
»Seht zu, dass dem so ist, oder ich engagiere wieder Kit Marlowe.«
Will wandte sich ab, damit Ned sein Lächeln nicht sah. Alleyn benutzte diese Drohung oft. Neds Schwiegervater und Geschäftspartner Philipp Henslowe war eng mit Kit Marlowe befreundet. Viele von Marlowes Stücken hatten hier ihre Premiere gefeiert. Niemand wusste, dass eigentlich Will sie geschrieben hatte.
Es war nicht so, dass Kit nicht schreiben konnte. Das konnte er und war auch gut darin. Er verlor nur leider nach ein paar Szenen das Interesse, ging aus, betrank sich, suchte sich einen jungen Mann und verschwand für ein paar Tage, manchmal sogar Wochen. Wenn er dann wiederkam, war seine Leidenschaft für die Geschichte gestorben.
Die Zusammenarbeit hatte eines Nachts begonnen, als Will Kit nach einem langen Abend voller Ausschweifungen nach Hause geschleppt und ihn ins Bett verfrachtet hatte. Dort hatte Will ein halbfertiges Stück auf dem Boden gefunden, und als Kit am nächsten Nachmittag erwacht war, hatte Will es bereits beendet. Sie hatten abgemacht, diese Information für sich zu behalten.
Wann immer Kit Geld brauchte, seine Arbeit aber nicht vollenden konnte, tat Will es für ihn. Ihn kümmerte nicht, dass Marlowe den Ruhm einheimste, solange Will bezahlt wurde. Ewig zu leben war eine kostspielige Angelegenheit!
Wenn die Leute herausfinden würden, wie viele Stücke Will über die Jahre tatsächlich geschrieben hatte, würde ihm ohnehin niemand glauben, dass sie alle von ihm stammten. Also konnte er ruhig jemanden, den er mochte und bewunderte, ein paar davon für sich beanspruchen lassen.
Kate wartete hinter der Bühne. Sie hatten wieder einmal Heinrich VI. geprobt. Dabei waren die Proben eigentlich überflüssig. Die Schauspieler hatten das Stück schon öfter gespielt, als sie zählen konnten, und auch Kate war nahezu perfekt gewesen, als ob sie das Stück ebenfalls schon unzählige Male gespielt hätte.
Ned hatte recht. Es war an der Zeit, ein neues Stück zu proben.
Will hatte Kate gebeten, auf ihn zu warten. Er würde sie nach Hause bringen. Sie war zwar ein Chasseur , aber Will wollte sie trotzdem nicht allein gegen die unzähligen Zombies kämpfen lassen, die auf den Straßen Londons herumwanderten. Sie hatte ihn um seine Hilfe gebeten, und er würde ihr helfen.
»Euer Knabe erwartet Euch«, murmelte Ned.
Auch wenn Will nicht gefiel, wie Ned ›Euer Knabe‹ sagte, nickte er nur und wollte gehen.
»Ihr könnt nur hoffen, dass Eure Gattin nichts davon erfährt.«
Will blieb stehen und drehte sich um. »Und wie sollte das passieren? Meine Frau lebt in Stratford.«
»Wie praktisch.«
»In der Tat.« Besonders, da sie nicht wirklich seine Frau war.
»Ihr habt momentan keine Zeit für einen neuen
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