nachzudenken.«
»Bedeutet das, du hast etwas herausgefunden?«
»Mehr als eine Ahnung ist es nicht. Könnte es sein, dass dich der römische Zenturio, von dem du damals nach Rhodos verschleppt wurdest, nicht zufällig ausgewählt hat?«
»Wie kommst du darauf?«
»Du bist der Sohn eines Druiden und kanntest den keltischen Mythos von Ys , lange bevor Hyrkan ihn erwähnte. Vielleicht hatte der Herrscher der Zeit dich schon damals ausgewählt.«
»Oros? Mich? Ausgeschlossen.«
»Und was hat er in der Asservatenkammer zu dir gesagt?«
Theos Blick wurde gläsern, und er murmelte: »›Du bist klug, Morvi. Ich hatte nie einen vielversprechenderen Schüler als dich.‹« Er blinzelte. »Ich bin überzeugt, das bezog sich auf Meister Poseidonios, nicht auf den Stundenwächter. Wozu hätte der einen neunjährigen Knaben auswählen sollen?«
»Keine Ahnung, Theo. Aber vergiss nicht die Ungereimtheiten, auf die du mich aufmerksam gemacht hast. Es ist doch merkwürdig, dass Obal diesen angeblich so unwichtigen Jungen aus dem streng bewachten Haus von Pompeius befreien wollte. Er hatte Poseidonios und Geminos doch bereits in seiner Gewalt. Und schon viel früher – warum ließ er den Vordereingang von Poseidonios’ Haus in Rhodos unbewacht?«
Er seufzte. »Du kennst meine Antwort: Ich weiß es nicht. Vielleicht hoffte er, sein unliebsamer Rivale Hyrkan würde sich auf und davon machen.«
»Oder er wollte dir den Weg zurück ins Haus ebnen.«
»Er konnte ja nicht ahnen, dass ich durch den Garten ausgebüxt bin.«
»Agamemnon könnte ihm ein Zeichen gegeben haben. Als wir aus Tante Lottas Laden geflohen sind, war es übrigens das Gleiche.«
»Dabei hatte Oros bestimmt nicht unsere Flucht begünstigen wollen. Du hättest hören sollen, wie er seinem eigenen Schergen den Handschmeichler übergezogen hat. Wahrscheinlich ist der Amtmann tot.«
»Ich sage ja, ich bin mir bei all dem nicht sicher. Aber für mich zeichnet sich da ein Muster ab. Ich kann es nur noch nicht richtig deuten.« Sie zeigte auf den Computer. »Ich denke, es ist an der Zeit, Oros auf den Zahn zu fühlen. Mal sehen, was das World Wide Web über ihn weiß.«
»Wer?«
»Die Luftbibliothek.«
»Ach so.«
Sophia hatte bisher von einer umfangreichen Internetrecherche nach Oros abgesehen, zu groß war ihre Sorge, er könnte ihnen dadurch auf die Schliche kommen. Jetzt tippte sie seinen Namen in die Suchmaschine ein. Das Ergebnis war dürftig, doch für jemanden, der sich am liebsten ganz unsichtbar machen würde, immerhin vielversprechend. Knapp zwei Dutzend Quellen rollten über den Bildschirm.
Die Spuren reichten bis ins antike Griechenland zurück und darüber hinaus. Manches kannte Sophia bereits, wie den Diskus des Phaistos, den Agamemnon nach Kreta gebracht hatte, oder die Hinweise auf Atlantis. Anderes war ihr neu. Besonders fesselte sie in einem archäologischen Aufsatz die Verbindung des Namens Oros mit der sogenannten sumerischen Königsliste, auch Weld-Blundell-Prisma genannt. Der auf vier Seiten beschriftete Quader aus gebranntem Ton wurde bei Ausgrabungen in Larsa, nördlich der babylonischen Stadt Ur gefunden.
» Wow! Hast du gewusst, dass dieses Verzeichnis die Amtszeit von acht Herrschern des Zweistromlandes mit jeweils mehreren zehntausend Jahren angibt?«
»Nein. Klingt für mich wie ein Patzer der Zeitwäscherei. Entweder hat Oros sich dieser Könige bemächtigt und regierte in ihren Körpern tatsächlich so lange oder die Angaben sind durch seine große Vertuschungsmaschine verzerrt worden.«
»Wahrscheinlich hätte er diese Königsliste gerne in seine Asservatenkammer verbannt; du hattest da ja verschiedene alte Schriften gesehen auf Steinsäulen, Tontafeln und Holzpfählen.« Sophia deutete auf die Initialen des Verfassers. »Siehst du das P. A. hier. Dasselbe Namenskürzel ist mir bei anderen Quellen aufgefallen. Mit dem Mechanismus von Antikythera hat sich dieser geheimnisvolle Unbekannte auch beschäftigt. Könnte natürlich nur ein vielseitig interessierter Hobbyarchäologe sein …« Sie ließ ihre Stimme bedeutungsvoll verklingen.
»Meinst du, er könnte dahinter stecken?«
Sie nickte. »Poseidonios von Apameia. Mal sehen, ob ich über das Autorenverzeichnis seine Mailadresse herausbekomme.«
Tatsächlich fand sie in der Auflistung der freien Mitarbeiter des archäologischen Onlinemagazins die Kontaktadresse
[email protected]. Sie rief ihr E-Mail-Programm auf und schrieb auf Englisch eine kurze Nachricht folgenden