Der Verrat
trotz der offensichtlichen Schmerzen, die ihm seine Verletzungen bereiteten. Der Alte hieß Andreas Papadakos, und das Haus gehörte ihm. Er hatte Alexander Deckas vor fünf Jahren kennengelernt. Der Mann zahlte seine Miete alle sechs Monate im Voraus. Er war oft unterwegs und hatte nie Ärger gemacht. Jedenfalls bis zu dem Moment, als diese Russen vor ein paar Tagen hier aufgetaucht waren und nach ihm suchten. Sie erzählten Papadakos, dass Deckas ein Auftragskiller sei. Sie behaupteten, dass sie für die russische Staatspolizei arbeiteten und dass sie Deckas festnehmen und nach Russland bringen würden, wo ihn ein Prozess erwarte.
Der Alte wollte die Papiere der Russen sehen. Sie erwiderten nur, dass er sich keine Sorgen zu machen brauche, woraufhin er die Polizei rufen wollte. Ab diesem Moment wurde es für ihn äußerst unangenehm. Papadakos hatte fünf Töchter, die für ihn arbeiteten. Seine Enkelkinder gingen im Lokal ein und aus, sechzehn an der Zahl. Die Russen hatten sich bereits hier umgesehen und drohten dem Alten, dass sie seine Enkelkinder eines nach dem anderen massakrieren würden, wenn er die Polizei verständigte oder Deckas warnte.
Bis dahin hatte Rapp den Russen lediglich als eine Nervensäge betrachtet. Der Kerl hatte ihm sogar ein bisschen leidgetan, nachdem sein Gesicht wie eine Halloweenmaske aussah. Als er hörte, dass der Kerl damit gedroht hatte, kleine Kinder zu verstümmeln, war Rapps Mitleid augenblicklich verflogen.
In all den Jahren seiner Laufbahn hatte Rapp schon viele Befragungen durchgeführt. Das reichte von ganz banalen Gesprächen, wie etwa, dass er einen Straßenverkäufer in Damaskus fragte, ob er etwas Bestimmtes gesehen hatte, bis hin zu beinharten Verhören, bei denen er dem Betreffenden androhte, ihm den Kopf wegzupusten, wenn er nicht redete. Dabei hatte er so viel Erfahrung gesammelt, dass er heute meistens schon vorher einzuschätzen vermochte, ob jemand ehrlich antworten würde oder nicht. Papadakos stritt ab, irgendetwas mit Deckas oder seinen Aktivitäten zu tun zu haben. Der Mann hatte fünf Töchter und sechzehn Enkelkinder. Warum sollte er sie in Gefahr bringen, indem er sich auf Geschäfte mit einem Kerl wie Gazich einließ?
Letztlich gab die Situation ihnen vor, was sie zu tun hatten. Auch wenn Papadakos nichts mit Gazich zu tun hatte, wollte er doch nicht, dass die Bullen bei ihm herumschnüffelten. Wenn Rapp später herausfinden sollte, dass der Mann und Gazich doch Geschäftspartner waren, würde er zurückkommen und ihn sich vorknöpfen. Papadakos hatte sein ganzes Leben hier in Limassol verbracht. Er würde nicht einfach verschwinden und sein Geschäft und seine Enkelkinder verlassen. Und so trafen sie eine Vereinbarung. Sobald das Café geschlossen war, würde Rapp die Toten und Verletzten verschwinden lassen, und der Alte und seine Familie konnten weiterleben, als wäre nichts geschehen.
Rapp folgte Papadakos nach unten und behielt ihn im Auge. Colemans Männer tauchten ein paar Minuten nach elf Uhr auf. Alle drei hatten einst unter Coleman bei den SEALs gedient, einer Elitetruppe der US Navy. Wicker und Hacket gingen unauffällig zu dem Wagen, in dem immer noch der tote Russe saß. Wicker setzte sich ans Lenkrad, Hacket auf den Rücksitz. Wicker ließ den Motor an und fuhr langsam los. Eine Viertelstunde später fanden sie eine nette dunkle Gasse etwa zwei Kilometer entfernt. Hacket stieg aus und ging die Gasse von einem Ende bis zum anderen ab, um sicherzugehen, dass sie allein waren. Wicker fuhr etwa in die Mitte der dunklen Häuserschlucht und hielt den Wagen an. Die Deckenleuchte wurde ausgeschaltet und der Kofferraum geöffnet.
Hacket wartete am Heck des Wagens, zog Gummihandschuhe an und drehte die Glühbirne der Kofferraumbeleuchtung heraus. Als der Wagen völlig dunkel war, ging er zur Beifahrertür und öffnete sie gerade so weit, dass ihm die Leiche entgegenfiel. Hacket legte die linke Hand an den Kopf des Toten, öffnete die Tür zur Gänze und fasste den schlaffen Körper unter den Achseln. Er zog ihn aus dem Wagen und weiter zum Kofferraum. Wicker stand auf der anderen Seite des Fahrzeugs und blickte sich nach beiden Seiten der Gasse um. Der Russe wog mindestens neunzig Kilo, doch Hacket war selbst über hundert Kilo schwer. Er hievte den Toten mit dem Gesicht nach unten in den Kofferraum, dann nahm er die Beine und hob nach und nach den ganzen massigen Körper hinein. Leise schloss er den Kofferraumdeckel, und sie fuhren zum Café
Weitere Kostenlose Bücher