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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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herumzukauen und es danach an ihrem Pullover abzuwischen. Die erleuchteten Öffnungen in all die kleinen vertrauten Welten kamen Johan vor wie ein lebender Adventskalender, an dem sich die Türchen von selbst öffneten. Es behagte ihm, die Türchen der Reihe nach wieder zu schließen.

    »Das ist verboten.«
    »Wir müssen reden.« Gunter schloss die Tür der Fahrerkabine. Chris schob den Gashebel nach vorn, die Bahn fuhr los. Er hatte mit diesem Besuch gerechnet.
    »Ich nehme an, du weißt, was passiert ist.«
    »Ray und Ronny sind tot«, erwiderte Chris ungerührt. Konzentriert blickte er von den Schienen zu den Menschen am Bahnsteig. Während der Ein- und Ausfahrt aus einer Station passierten die meisten Unfälle.
    »Und wir beide sind übrig.«
    »Was soll das heißen?«
    »Dass einer von uns die nächste Leiche ist.« Gunter zündete sich eine Zigarre an. Chris öffnete die Scheibe und arretierte den Schiebemechanismus. Die Strecke verlief oberirdisch. Der Straßenverkehr und die Fußgänger erforderten erhöhte Aufmerksamkeit.
    »Sag nicht wir. Sag nicht uns. Wir haben keine Gemeinsamkeiten.«
    »Und ob wir die haben«, beharrte Gunter. »Was, glaubst du wohl, steckt hinter diesen Todesfällen?«
    »Die Musik, die wir früher gemacht haben?«
    »Spiel nicht den Unschuldigen. Du hängst genauso mit drin.«
    »Einmal.« Chris hielt den Daumen hoch. »Ein einziges Mal. Und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie sich dagegen gewehrt hat.«
    »Du warst der Erste. Auf so etwas achten die Richter.«
    »Ich hatte keine Ahnung, wie sich dieser Abend entwickeln würde. Ray hat sie abgefüllt. Ray und du, ihr habt diese Sache überhaupt erst in Gang gesetzt.«
    »Du hast die Kleine in Stimmung gebracht. Das hat es uns leicht gemacht.«
    Chris umklammerte den Gashebel. Die U-Bahn machte einen Ruck nach vorn.
    »Wir müssen etwas unternehmen«, fuhr Gunter fort. »Du willst doch weiterleben, oder?«
    »An der nächsten Haltestelle verschwindest du.«
    »Einen Scheiß werde ich tun. Ich gehe hier erst wieder raus, wenn du zur Vernunft kommst.«
    »Wenn Jef nicht gestorben wäre –«
    »Hätte das Mädchen noch weniger zu lachen gehabt. Du weißt, wie es in ihm gebrodelt hat, seit sie flügge geworden ist.«
    »Diesem Junkie weine ich keine Träne nach. Valerie hat das einzig Richtige getan.« Chris drosselte die Geschwindigkeit.
    »Sie hätte ihn auch verlassen können. Wir leben nicht im Mittelalter.«
    »Jeder wehrt sich auf seine Weise. Jef hat es verdient, so zu sterben. Ich wünschte, ich hätte es selber getan.«
    »So mutig bist du nicht, Chris. Vor wem hast du mehr Angst? Vor der Polizei oder vor Valerie? Sie bekommt Hilfe, das ist offensichtlich. Jemand hat Ray aus dem Verkehr gezogen. Meinst du, er hat das so einfach mit sich machen lassen? Wenn du an der Reihe bist, hast du nicht die Spur einer Chance.«
    »Ich glaube nicht, dass Sheila etwas gegen mich hat.«
    »Wir reden hier nicht von Sheila, sondern von ihrer Mutter. Sie hat jemanden angeheuert, das ist doch sonnenklar. Sie will uns kaltstellen, wegen Jef oder wegen der Kleinen, such dir was aus.«
    »Du kotzt mich an.«
    Gunters Hand legte sich auf Chris’ Nacken. Er hielt ihm die glühende Zigarre ganz dicht ans Ohr. Chris gelang es, die Bahn an der nächsten Haltestelle ordnungsgemäß zum Stehen zu bringen, ohne dass die Fahrgäste etwas merkten. Leute stiegen aus und ein, niemand verschwendete einen Blick auf den Fahrer und seinen rauchenden Gast.
    Gunter fuhr noch eine Weile mit. Nachdem er Chris den Ernst der Lage auf seine Weise verdeutlicht hatte, wechselte er die Bahn und bestieg eine Linie Richtung Nippes.

    Die Pizza sah aus wie eine offene Fleischwunde. Raupach holte sie aus dem Ofen und streute Salz darüber. Der Belag war verkohlt, aber schön knusprig. Ein Kölsch würde die Mahlzeit erträglich machen.
    Der Hängeordner lag auf dem Küchentisch. Raupach hatte den Fall »Jef Braq« in seinem Privatarchiv gefunden. Erstickungstod, ein Unfall. Als Leiter der Ermittlung war Woytas eingetragen. Aus den Unterlagen ging nur hervor, dass es Verdachtsmomente gegen Valerie gegeben hatte. Da die Sache bereits ein Jahr zurücklag und sich in dieser Zeit nichts Neues ergeben hatte, stimmte Valeries Angabe vermutlich, und das Verfahren war tatsächlich eingestellt worden. Raupach musste sein Archiv unbedingt auf den neuesten Stand bringen.
    Er öffnete das Bier. Das Zischen der entweichenden Kohlensäure entspannte ihn. Er fragte sich, ob er bei Valerie

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