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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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was bringen.«
    Nach der Unterredung mit dem Stadtrichter ging Peter hinaus zur Lände, um seine Arbeit zu tun und Paul zur Seite zu stehen, falls neuer Ärger entstand. Es ging jedoch alles seinen gewohnten Gang. Ein Teil der Münchner Flößer war morgens bereits aufgebrochen, um Waren flußabwärts zu transportieren, was von München ab ausschließlich ihr Recht war. Andere waren unterwegs in den Sundergau und ins Oberland, um Floßbäume anzukaufen und Waren zu übernehmen. Die meisten der Teilnehmer an dem morgendlichen Tumult hatten sich inzwischen verzogen und gingen wieder ihren Geschäften nach oder wiegelten anderswo abergläubische Mitbürger auf. So deutete nichts auf erneuten Sturm hin, bis plötzlich zwei Männer an den Holzlegen vorbei dem Stück Lände zustrebten, das bevorzugt für die Weinlieferungen ausgewiesen war. Es waren Ludwig Pütrich und Konrad Peitinger, angeregt ins Gespräch vertieft.
    Paul stieß seinen Freund mit dem Ellbogen an: »Da schau hinüber! Der Teufel mit dem Beelzebub.«
    »Gegen den Bruder des Alten kannst du doch nichts sagen. Erinnere dich an die Worte des Dekans vom letzten Sonntag: Richtet nicht vorschnell, damit ihr nicht selbst gerichtet werdet!«
    Paul schnaubte verächtlich. In dieser Frage folgte er lieber seiner Menschenkenntnis, als der Ermahnung eines Pfaffen.
    Die beiden Männer waren inzwischen bei den Fässern angekommen, die man heute morgen abgeladen hatte. Es war streng verboten, Wein an der Lände zu verkosten oder gar zu verkaufen. Erst am Marktplatz durfte angestochen werden. Aber der Kaufmann wollte sich offenbar persönlich von der Anzahl der Fässer überzeugen und ob sie ordentlich versiegelt waren.
    Peter überlegte, ob der Peitinger es als willkommene Gelegenheit sah, sich im Schutze des einflußreichen Kaufmanns wieder an die Lände zu wagen, oder ob Pütrich darauf bestanden hatte, so daß er gar nicht anders konnte. Egal, er war da und wirkte auf so manchen wie Purpur auf den Stier.
    Ulrich Hiltpurger hatte noch gestern in weiser Voraussicht und unter Androhung von Strafe die Floßmeister und Knechte ermahnt, sich jeglicher Händel mit dem Peitinger zu enthalten, da er Amtmann sei und als solcher höchstens verklagt werden dürfe. Mit seiner Ermahnung hatte der Floßmeister besonders einen im Sinn gehabt: Leonhart Küchlmair war ein baumlanger Kerl mit einem mächtigen Kreuz und einem Paar Hände, die einen Floßbaum beinahe umfassen konnten. Er hatte das Gesicht eines Engleins und Kraft und Verstand eines Ochsens. Bei den Flößern hieß er nur Leonhart, der Isarstier. Er war gutmütig bis zur Vertrotteltheit, was manche weidlich ausnutzten. Doch wenn ihn etwas reizte, ließ er sich selbst von der eigenen Mutter kaum mehr bändigen und das kam ungefähr so häufig vor, wie die Fliege den Arsch einer Kuh besucht.
    Leonhart hatte nach einem Besäufnis mit gepflegter Rauferei auch schon manche Nacht in der Schergenstube verbracht, und einmal hatte er sogar schon mit der Eselskappe an der Schandsäule gestanden. Er war ein Kind im Körper eines Bären.
    Pütrich und Peitinger schickten sich eben an, zur Stadt zurückzukehren, als einer der Knechte zu sticheln anfing: »Hier stinkt’s doch plötzlich ganz gewaltig. Riecht ihr’s nicht auch?«
    Sofort standen drei, vier Burschen daneben und bekräftigten: »Und wie… pfui Teufel… nicht zum Aushalten…«
    Einer wurde besonders keck und verstellte den Weg. »Judas und der Pharisäer. Ein feines Paar. Wieviel haben sie dir denn gezahlt für deinen Verrat?«
    Das war Konrad Peitinger zuviel. Er stieß den Burschen heftig zur Seite, um sich den Weg freizumachen. Der stürzte und stieß dabei so unglücklich mit dem Hinterkopf an einen der Holzstöße, daß er benommen liegen blieb. Das war für Leonhart gleichsam die Fanfare zum Sturm. Er packte den Pfleger mit der linken Hand am Gewand über der Brust und riß ihn hoch, bis dieser kaum mehr auf den Zehenspitzen stand.
    »Bürschchen, rühr du noch einmal einen Knecht an. Zerdrücken sollt’ man dich, du Laus! Ich würd’ dir am liebsten dein Schandmaul einschlagen, daß sämtliche Zähne davonspringen…« Er hatte schon die geballte Rechte erhoben, als glücklicherweise Ludwig Pütrich dazwischenging und fast gleichzeitig Peter und Paul den Wütenden zurückzogen.
    »Aber, aber, meine Herren, ich bitte Euch, kein Streit!« Pütrich schob den Pfleger zurück, während Peter und Paul mäßigend auf Leonhart einredeten. Peitinger ordnete seinen

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