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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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haben, das dachte ich mir. Nur muss er zu jeder Zeit wachsam sein und seine Umgebung im Auge behalten.« Verschmitzt grinsend wandte er sich Vitus wieder zu: »Na bitte, es besteht überhaupt kein Anlass zur Besorgnis, das solltest du dir merken.« »Danke, Emilio.«
    »Schon gut. Siehst du die Weggabelung da vorn? Es ist der Punkt, an dem wir uns trennen werden. Du musst dich links halten in Richtung Dosvaldes, und ich biege rechts ab nach San Cristobal. Aber vorher möchte ich dir noch etwas sagen: Ich hab gelernt, dass es Menschen gibt, mit denen man eng zusammenlebt und die einem trotzdem nie näher kommen. Und dann gibt es welche, die kennt man kaum, und doch schließt man sie gleich ins Herz. Du gehörst zur zweiten Sorte. Du wirst mir fehlen.«
    »Danke, Emilio.«
    »Sag nicht dauernd »Danke, Emilio«, sondern komm her.« Er nahm Vitus kurz und heftig in die Arme und küsste ihn geräuschvoll auf beide Wangen. »Mach's gut, Söhnchen. Ich glaube, ich werfe dich hier schon raus, denn gerade ist mir was ins Auge geflogen.«
    Er rieb sich schnaufend über Stirn und Augen, fasste sich und sagte fast barsch: »Also dann, leb wohl!«
    »Leb wohl, Emilio, Gott sei mit dir.«
    Langsam weitergehend blickte Vitus dem davonrumpelnden Karren nach. Als er sich nach links wandte, spürte er etwas Hartes in seiner Tasche. Er griff hinein und holte es heraus. Es waren Emilios Eisensteine.

    Der Zwerg Toxil

    »Ich bin aus dem Askunesischen, Kuttengeier.
    Aus den Landen östlich vom Rhein,
    wennste das besser begneißt.
    Hier im Spanischen hab ich 'ne Menge Namen.
    Pedro oder Franco. Oder Jaime oder Juan oder sonst
    wie.
    Kannst dir einen ausklauben.«
    E r schritt wieder kräftig aus. Der Ehrgeiz, am zweiten Tag weiter zu kommen als am ersten, beflügelte ihn. Nach zwei Stunden strammen Marsches erblickte er in einiger Entfernung ein merkwürdiges Wesen am Wegrand. Der sitzenden Haltung nach konnte es ein Hund sein, doch näher kommend erkannte er, dass es ein Mensch war. Alles an dem Mann war außergewöhnlich klein. Nur zwei Dinge stachen hervor: der gewaltige Kopf und der faßähnliche Buckel, der übergangslos darunter ansetzte. Weder das fröhlich leuchtende Hellblau des Rocks noch der an einem Riemen über der Schulter hängende rote Holzkasten konnten das monströse Bild mildern. Keine Bewegung verriet, ob Leben in der seltsamen Gestalt wohnte.
    »Woher kommste?« Urplötzlich taxierten ihn zwei halbgeschlossene Äuglein. Sie standen direkt über einer kaum sichtbaren Nase und einem rosigen Mündchen, das sich beim Sprechen fischähnlich nach vorn stülpte. Augen, Nase und Mund verloren sich in einer riesigen Gesichtsfläche, die von rötlichen Haarbüscheln umrahmt wurde. »Woher kommste?«, fragte das Fischmündchen abermals. »Haste Heu?«
    »Äh, bitte?«
    »Ob de Geld hast, Kuttengeier!«
    »Nein ... das heißt, doch.« Vitus wollte nicht lügen. Dennoch konnte er nicht jedem sagen, dass er Goldescudos besaß. »Ich brauche kein Geld«, versicherte er schnell. Zumindest stimmte das bis jetzt, und überdies klang es so, als habe er keins.
    »Wennste Heu hättst, könntste was zum Schnappen kitschen«, fistelte das Mündchen. »Kennste nich das La Rosa? Ist'n Schwuderbeiß, 'ne Kaschemme drei Meilen weiter runter.« Ein Arm, kaum größer als der eines Kindes und ebenso unbehaart, deutete vage in die Richtung.
    »Haste nu Heu oder nich?«
    »Tut mir Leid.« Vitus zuckte mit den Schultern. »Ich verstehe dich nicht.«
    »Ich verstehe dich nicht«, äffte das Männchen ihn nach, »bist dir zu fein für die Sprache der Wolkenschieber, hä?«
    Vitus beschloss, nicht darauf einzugehen: »Wenn du etwas essen willst, ich habe einen Kapaun«, sagte er. »Es wäre mir ein Vergnügen, ihn mit dir zu teilen.«
    »Redste immer so kariert? Kommst aus der Krax, wie?«
    Der Zwerg rückte mit einer ungeduldigen Bewegung seinen Schulterriemen zurecht, »'nen kastrierten Korporal haste also. Ich hab schon mieser gespachtelt. Haste auch Bauerndegen?« Als Vitus ihn fragend ansah, besann er sich: »Ob de Bohnen oder so was dazu hast.«
    »Nein. Nur den Kapaun. Warte, ich packe ihn aus.«
    Vitus rammte den Wanderstab in die Erde und nahm die Kiepe ab. Als er sich neben dem Zwerg niederließ, entstand ein helles Geräusch. Hatte es da eben geklimpert? Bei allen Heiligen, seine Goldmünzen! Er setzte eine gleichgültige Miene auf, bevor er den Kopf hob - und in zwei ungeheuer wachsame Äuglein blickte.
    »Diese Kiepe macht immer so

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