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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Namen Magdalena.«
    »Ich erinnere mich«, sagte er.
    »Hast du ›Jesus Superstar‹ gesehen?«
    » ›Ich weiß nicht, wie ich ihn lieben soll‹ .«
    »Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben«, sagte sie.
    Er hielt den Atem an und schloß die Augen. Hinter den geschlossenen
Lidern erschien ihm die Qual der vergeudeten Zeit wie ein explodierender Stern.
Er legte die Hände auf die Schenkel, als wappne er sich vor einem großen
Schmerz.
    »Inzwischen kommt es mir vor wie die Kindheit«, sagte sie. »Etwas,
was ich einst hatte, und ich sollte nicht erwarten, es zurückzubekommen.«
    Er sah zur Decke hinauf wie ein Mann, der seine Tränen nicht zeigen
will. »Warum hast du mich das nicht wissen lassen?« fragte er mit heiserer
Stimme.
    Sie schlug die Beine übereinander und mußte sie dann in der engen
Bank zur Seite drehen. »Aus all den Gründen, die ich dir genannt habe. Ich
dachte, es würde dich nicht mehr kümmern und du hättest mich vergessen.«
    »Niemals.«
    »Ich wußte, daß du geheiratet hast. Meine Tante konnte es gar nicht
erwarten, mir das zu erzählen. Ich glaube, sie hat mich sofort angerufen,
nachdem sie es erfahren hat.«
    »O Linda.«
    »Und das war’s dann.«
    Er konnte sie in der Kirche nicht berühren. Gleichgültig, wie sehr
sie ihren Gott haßte, ein solcher Annäherungsversuch wäre ihr nicht recht
gewesen. Und auch als sie die Kirche verlassen hatten, konnte er sie nicht
berühren, weil die Kinder geduldig auf sie warteten und ihnen über den Pfad
hinunter folgten. Erst als sie das Dorf hinter sich gelassen hatten und außer
Sichtweite waren, streckte er die Hand aus und hielt sie an. Sie drehte sich um – so bereitwillig, daß er Gott dafür hätte danken können –, und er nahm sie in
die Arme. Der erste Kuß war nicht vertraut, und dennoch hatte er das Gefühl,
»angekommen«, nach Hause gekommen, das sichere Ufer erreicht zu haben. Und das
hätte er ihr gesagt, wenn sie seinen Mund nicht mit einem zweiten Kuß
verschlossen hätte, und ihr Geschmack erinnerte ihn jetzt an tausend andere
ihrer Küsse. Sie strich über seinen Nacken und zog seinen Kopf an sich.
Unwillkürlich taumelte er, verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Knie. Sie
zog ihn an sich, und er lag auf ihrem nackten Bauch. Die Freude war so groß,
daß er vor Dankbarkeit stöhnte. Sie beugte ihm den Kopf entgegen.
    »Linda«, sagte er, vor Erleichterung ganz leise sprechend.
    Er versuchte, den Raum in sich aufzunehmen, ihn sich zu eigen zu
machen, selbst als sie schon auf dem Bettüberwurf lag. Der Kanga war jetzt
aufgeknotet, das Oberteil gelöst, und ihre Brüste wirkten schockierend weiß im
Gegensatz zu ihrer übrigen Haut. Er konnte sich nicht erinnern, wie es früher
zwischen ihnen gewesen war, und dennoch drängten sie sich aneinander, als wären
sie nie getrennt gewesen. Er hatte sich noch nie so vollkommen zu Hause
gefühlt. Es war eine Offenbarung, daß ihm dies gehören sollte, daß sie ihm dies
wieder und wieder schenken könnte, daß alle Unzufriedenheit verginge. Sie
richtete sich über ihm auf und sagte seinen Namen, während ihr Haar wie ein
feuchter Vorhang zu beiden Seiten ihres Gesichts herabfiel. Ob sie dies früher
schon einmal mit ihm getan oder nicht getan hatte, wußte er nicht: sie senkte
die Schultern und bot ihm ihre Brüste dar, die er mit den Händen und mit dem
Mund nahm, und er wollte alles von ihr.
    Welch süße Entschädigung für ungelebte Tage und Nächte.
    27. November
    Lieber Thomas,
    heute hatten wir den Parlamentsabgeordneten von Nyeri zu Besuch.
Unerwartet, weil er aus Nairobi gekommen war, um den Brautpreis für seine
zweite Frau auszuhandeln, von der niemand wissen soll. Seine erste Frau ist zu
ihrem großen Kummer unfruchtbar. Er fuhr im Mercedes vor und trat mit großem
Pomp herein, denn ich sollte mich offensichtlich geehrt fühlen. Er setzte sich
auf eine Bank im hinteren Teil des Raums und lauschte einer Unterrichtsstunde
über einfache Geometrie. Dabei nickte er gelegentlich, als gebe es dabei
Fragestellungen, denen man zustimmen oder die man ablehnen könnte, während er
ständig mit einem Holzstäbchen in den Zähnen herumstocherte. Die Kinder waren
entsprechend eingeschüchtert und warfen verstohlene Blicke auf den großen Mann,
der aus der Stadt gekommen war. Er trug eine goldene Uhr, und obwohl ich mich
mit Männerkleidung nicht gut auskenne, glaube ich, daß sein Anzug einiges
gekostet hat. Sein Gefolge bestand aus acht Leuten. Bei seinen Reisen fährt

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