Der Winterpalast
Silberfuchs ausgelegt.« Ich beschrieb ihr ihren Sohn, das kleine Gesichtchen, die rosaroten Lippen, die großen grauen Augen.
»Hat sie gesagt, wann ich ihn sehen kann?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Warum, Warenka?«
»Sie wissen genau, warum.«
Sie packte mich am Arm, ihre Finger krallten sich in das Fleisch. Sie keuchte, sie wimmerte.
Man hatte sie beraubt und dann einfach liegen lassen. Sie blutete, aber es war kein Frauenblut, das fließen muss , es war Blut, das nach Rache schrie. Im kalten Licht des Morgens sah ich ihren Hass.
»Ich will, dass sie stirbt, Warenka.«
Sie ließ meinen Arm los. Ich legte meine Hand auf ihren Mund, um die gefährlichen Worte zu ersticken, aber sie schob sie weg.
»Ich möchte zusehen, wie sie ihren letzten Atemzug tut. Ich möchte ihr in die Augen schauen dabei. Ich möchte sehen, wie sie vergeblich nach Luft schnappt.«
Ich legte warnend den Finger auf die Lippen – die Wände waren so dünn – aber Katharina ließ sich nicht zum Schweigen bringen.
»Es ist mir gleichgültig, ob jemand zuhört. Ich will, dass sie tot ist. Ich ertrage es nicht länger.«
Ich ließ sie in meinen Armen weinen, bis Madame Wladislawowa, die Kammerfrau, kam. Die Kaiserin habe sie geschickt, erklärte sie, um nach der Großfürstin zu sehen.
Sie warf mir einen strafenden Blick zu. »Die Kaiserin verlangt nach Ihnen, Warwara Nikolajewna«, sagte sie streng.
Jetzt schon? , dachte ich. Ist das nur eine Laune? Oder hat sie mich im Verdacht, ich würde nicht gehorchen? Nein, sicher wollte sie nur von mir hören, dass ich ihre grausame Botschaft überbracht hatte.
Die Zeit der Mächtigen verrinnt schneller als die der gewöhnlichen Menschen. Geduld ist keine kaiserliche Tugend.
Ich streichelte immer noch Katharinas Haar, ihr Ohr fühlte sich weich wie Samt an. Mir war klar, dass sie außer mir niemanden nach ihrem Kind fragen konnte. Wenn sie es tat, würde man es sofort der Kaiserin hinterbringen.
»Richten Sie der Kaiserin aus, ich komme bald«, sagte ich zu Madame Wladislawowa. Mir war klar, dass ich es nicht lange hinauszögern durfte. »Im Moment braucht mich die Großfürstin noch.«
Als ich eine Stunde später von der Kaiserin zu Katharina zurückkam, musste ich feststellen, dass Madame Wladislawowa gar nichts unternommen hatte, um Katharina zu helfen. »Die Hebamme wird bald hier sein«, hatte sie gesagt und war wieder verschwunden. Sie hatte die Patientin auf dem nassen Laken liegen lassen, hatte ihr nicht einmal einen Schluck Wasser angeboten oder ihr geholfen, sich in das bereit stehende Bett zu legen, wo sie es warm hatte. Ich fand Katharina immer noch auf der blutgetränkten Matratze vor, zitternd vor Erschöpfung und Schmerzen.
Ich klingelte ein Mädchen herbei und ließ sie frische Wäsche für Katharina, Wasser und eine weitere Decke holen. Ich kochte vor Wut. Wo waren sie jetzt alle, diese großen Herrschaften, die sich als Freunde der Großfürstin ausgaben und sie doch nur ausnutzten? Wo waren Naryschkin und seine Schwester? Wo war Saltykow?
Wäre es ihnen allen am liebsten, Katharina wäre tot?
Ich behielt diese Fragen für mich und half ihr, aufzustehen und sich zu waschen. Ihr Bauch war immer noch dick, ein bräunlicher Streifen lief wie ein Riss vom Nabel abwärts.
»Warenka?«, sagte sie.
Ich erriet, was sie fragen wollte. »Sie hat ihn Paul genannt«, antwortete ich.
»Paul.«
»Er ist kräftig. Er weint nicht. Er wollte allerdings nicht trinken. Als die Amme ihn angelegt hat, ist er eingeschlafen.«
Katharinas Augen hingen an mir, drängten mich mit verzweifelter Gier weiterzusprechen.
»Die Amme macht einen sehr ordentlichen Eindruck, reinlich und kerngesund«, versicherte ich. »Und sie hat viel Milch. Heute Nacht war Vollmond. Alle sagen, das ist ein großes Glück: Kinder, die bei Vollmond geboren werden, gedeihen besonders gut. Er hat winzige Fingerchen, wunderschön, mit rosa Nägeln.«
»Wunderschön«, wiederholte sie. Sie lächelte unsicher.
»Haben Sie Schmerzen?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf, aber ich glaubte ihr nicht: Sie sah ganz bleich und elend aus.
Ich musste an den Moment denken, als die Hebamme mir Darja in die Arme gelegt hatte, als ich zum ersten Mal dem leise flüsternden Atem meiner Tochter gelauscht hatte. Ich brachte es nicht über mich, Katharina zu sagen, dass sie dieses Glück niemals erfahren würde.
»Ich bin stark, Warenka«, flüsterte sie heiser. »Ich habe dich. Mehr verlange ich nicht.« Sie nahm
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