Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
einmal gelogen war. Doch jetzt kam es mir vor, als würde ich mich ohne guten Grund verstecken - vielleicht stand ich ja gar nicht kurz vor der Verhaftung!
Am Donnerstag wurde die Stille übermächtig und ich beschloss, einen Anruf bei Gregory O'Connell zu riskieren, dem Anwalt, den mir Bo empfohlen hatte. Er schien mir für die Gewinnung neuer Erkenntnisse perfekt geeignet zu sein, denn er war derjenige gewesen, der sechs Monate zuvor mit Sean O'Shea vom Eastern District gesprochen hatte.
Offensichtlich konnte ich mit Greg O'Connell nicht Klartext reden. Schließlich war er Anwalt, und keinem Anwalt kann man absolut trauen, vor allem im Strafrecht, denn er kann einen nicht juristisch vertreten, wenn er weiß, dass man wirklich schuldig ist. Das ist natürlich ein absurdes Konzept und jeder weiß, dass Strafverteidiger von der Verteidigung Schuldiger leben. Aber zu diesem Spiel gehört ein unausgesprochenes Einverständnis zwischen dem Verbrecher und dem Anwalt; der Verbrecher schwört dem Anwalt seine Unschuld und der Anwalt hilft dem Verbrecher, aus seiner erstunkenen und erlogenen Geschichte eine Verteidigung aufzubauen, die mit seiner eigenen erstunkenen und erlogenen Geschichte zusammenpasst.
Als ich Greg O'Connell anrief, log ich daher glattweg und erklärte, ich sei in die Probleme eines Dritten verwickelt. Ich sagte, die Familie meiner Frau in Großbritannien habe den gleichen Banker wie ein paar korrupte Regattensegler benutzt, was natürlich vollkommener Zufall sei. Während ich meinem künftigen Anwalt die erste Version dieser zusammengebrauten Geschichte erzählte - und ihm von der reizenden Tante Patricia als munter lebend erzählte, weil das meine Argumente meiner Meinung nach stärkte - sah ich einen schmalen Silberstreif. Meine Geschichte war absolut glaubwürdig, dachte ich, bis Gregory O'Connell etwas skeptisch sagte: „Wo hatte eine 65-jährige pensionierte Lehrerin denn die drei Millionen her, mit denen sie das Konto eröffnet hat?"
„Hmmm ... eine kleine Lücke in meiner Geschichte; das ist vielleicht kein gutes Zeichen", dachte ich. Da konnte ich bloß den Dummen spielen. „Woher soll ich das wissen?", fragte ich ganz sachlich. Ja, mein Ton war genau richtig. Der Wolf konnte sich ganz cool verstellen, wenn es sein musste, sogar jetzt, unter den schlimmsten Umständen. „Hören Sie, Greg; Patricia - sie ruhe in Frieden - erzählte immer gern, dass ihr Mann der erste Testpilot für den Harrier- Senkrechtstarter war. Ich wette, der KGB hätte ein saftiges Vermögen für ein paar harte Fakten über dieses Projekt bezahlt; vielleicht nahm er Geld vom KGB? Wenn ich mich recht entsinne, war das damals ganz schön fortschrittlich. Ziemlich vertuscht." Gott! Was zum Teufel schwafelte ich denn da?
„Na gut, ich rufe ein paar Leute an, bei denen ich eine schnelle Frühwarnung bekomme", sagte mein freundlicher Anwalt. „Nur eines irritiert mich, Jordan. Können Sie klarstellen, ob Ihre Tante Patricia lebt oder tot ist? Sie haben gerade gesagt, sie ruhe in Frieden, aber vor ein paar Minuten haben sie gesagt, sie lebt in London. Es wäre hilfreich zu wissen, was davon denn nun stimmt."
Da hatte ich eindeutig nicht aufgepasst. Ich sollte in Zukunft mit Patricias Lebenszustand vorsichtiger sein. Da hatte ich keine andere Wahl als zu pokern: „Nun, das kommt darauf an, was für meine Situation günstiger ist. Was stützt meine Argumente besser: Leben oder Tod?" „Najaaaa, es wäre natürlich gut, wenn sie sagen könnte, dass das Geld ihr gehört oder wenigstens eine eidesstattliche Erklärung unterzeichnet, die diese Tatsache bezeugt. Deshalb muss ich sagen, dass es besser wäre, wenn sie noch leben würde." „Dann ist sie durchaus am Leben!", schoss ich zuversichtlich zurück, denn ich dachte an den Meisterfälscher und seine Fähigkeit, schöne Unterlagen aller Art anzufertigen. „Aber sie liebt ihre Privatsphäre, also müsste man sich mit einer Erklärung begnügen. Ich glaube, sie hat sich im Moment sowieso vorübergehend zurückgezogen." Jetzt kam nur noch Schweigen. Nach gut zehn Sekunden sagte mein Anwalt schließlich: „Okay, ich glaube, ich sehe jetzt ziemlich klar. Ich melde mich in ein paar Stunden bei Ihnen." Eine Stunde später kam der Rückruf von Greg O'Connell: „In Ihrem Fall gibt es nichts Neues. Sean O'Shea scheidet in ein paar Wochen aus der Staatsanwaltschaft aus - er reiht sich unter uns bescheidene Strafverteidiger ein - und war daher ungewöhnlich mitteilsam. Er sagt,
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