Der Wunschtraummann
Bild von uns auf seiner Dachterrasse vor Augen, als die Schneeflocken um uns herumwirbelten und ich den Atem angehalten habe. Dieses märchenhafte, verzauberte Gefühl freudiger Erwartung, und da war noch etwas … doch das kann ich nicht so genau fassen. Aber eigentlich ist es auch egal. Was immer es gewesen sein mag, nun ist es weg. Dafür habe ich selbst gesorgt.
»Nein, nein, ich habe niemanden kennengelernt«, sage ich rasch.
Eine Weile sagt keiner von uns ein Wort, reglos sitzen wir da und schweigen uns unbehaglich an. Ich höre das laute Summen des Kühlschranks, den langsam tropfenden Wasserhahn und das dumpfe Dröhnen eines Flugzeugs draußen.
»Bist du dir ganz sicher , dass es nicht wegen des Snowboardtrips ist?«, fragt er schließlich. »Denn Chris hat mir da was vom Whirlpool erzählt …«
»Bitte, Seb«, seufze ich, und er verstummt wieder. »Glaub mir, es ist nicht wegen des Wochenendes oder des Whirlpools oder deinetwegen … es geht nicht um dich, es geht um mich.« Meine Stimme wird weicher, ich gehe zu ihm und setze mich zu ihm auf die Couch. »Du bist ein toller Kerl, aber ich bin nicht die Richtige für dich.«
»Das meinst du doch nicht ernst, das sagst du doch bloß so«, erklärt er eingeschnappt, und sein Schmerz scheint gekränkter Empörung zu weichen. Er verschränkt die Arme und dreht sich von mir weg. »Das sagt man so, wenn man mit jemandem Schluss macht.«
Da hat er nicht ganz unrecht. Ich weiß noch, dass er mir mal was ganz Ähnliches gesagt hat.
»Nein, Seb, du hörst mir nicht zu, ich meine das wirklich ernst«, sage ich sehr bestimmt. »Du machst gerne Sport und hältst dich fit, und ich hänge lieber zu Hause auf der Couch rum und schaue X Factor .«
»Und was ist mit deiner Military-Fitness?«, fragt er herausfordernd, als könne er mich damit festnageln.
»Ein einziges Mal war ich da und habe mir gleich den Oberschenkel gezerrt.«
»Aber du gehst doch immer joggen.«
»Nein, du gehst joggen, ich tue nur so. Ich laufe nur, um den Bus nicht zu verpassen.« Ich unterbreche mich, als ich sein Gesicht sehe. Endlich bekenne ich Farbe und sage offen, wer ich eigentlich bin – vor uns beiden.
»Ich bin ein Mädel, das am liebsten stinklangweilige Bohnen auf Toast isst, und wenn ich mir nicht gerade den Wecker um drei Uhr früh stelle und zwei Uhren trage, komme ich immer zu spät …«
Er versucht etwas einzuwenden, aber ich lasse ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Nein, wirklich, das stimmt … und ich höre am liebsten Abba und nicht irgendwelche Indie-Bands, die sich alle gleich anhören, und ich trage ausgeleierte alte BH -Hemdchen und große bequeme Stützhöschen.«
Er erblasst.
»Ich bin das Mädel, das in dem Obama-Buch nur bis Seite drei gekommen ist, um dann einsehen zu müssen, dass es mein Leben nicht verändern würde und ich lieber die OK ! lese und mir Promis mit Cellulitis im Bikini anschaue.«
»Promis mit was ?«
»Und mein Lieblingsfilm ist nicht Star Wars , sondern Dirty Dancing. Und alles mit Johnny Depp.«
Entgeistert starrt Seb mich an.
»Aber viele Paare haben doch unterschiedliche Interessen«, wendet er schließlich ein, als er die Sprache wiedergefunden hat. »Gegensätze ziehen sich an, weißt du das nicht?«
Ich lächele. »Das weiß ich, und ich dachte das auch immer, aber es ist mehr als das. Wir sind nicht nur gegensätzlich, wir sind grundverschieden, wir glauben an unterschiedliche Dinge …« Ich muss an meinen Opa denken und wie ich heute Nachmittag mit ihm auf dem Friedhof war.
»Ich zum Beispiel glaube an die Ehe. Ich will mich in jemanden verlieben, der mir das Gefühl gibt, der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt zu sein, und gemeinsam mit ihm auf diese verrückte, irre Reise gehen, die sich Leben nennt …« Ich unterbreche mich und muss an meinen Opa denken und an das Funkeln in seinen Augen, als er von meiner Nan erzählte. »Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als fünfzig Jahre mit jemandem verheiratet zu sein, der mich liebt, wie ich bin, mit Haut und Haaren, und für den ich genau dasselbe empfinde.«
Mit klopfendem Herzen breche ich ab. Ich bin ganz außer Atem. Aber da ist noch mehr. Ich fühle mich befreit, erleichtert. Als wäre mir die Last, ein anderer Mensch sein zu müssen, von den Schultern genommen worden. Etwas, das mich niederdrückte wie ein dicker schwerer Mantel und den Menschen zu ersticken drohte, der ich wirklich bin.
Einen Moment lang ist es ganz still. Wir sitzen nebeneinander, und
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