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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Eugen, um aufs linke Ufer hinüberzugelangen, wo sich ein ganzes Heer sammeln sollte, als ein Menschenstrom seine Leute auf dem Boulevard Saint-Martin fest aufhielt. Unter Geschrei wurde davon geredet, sie zu entwaffnen. Er erwiderte ganz ruhig, sie sollten ihn in Ruhe lassen, ihn ginge das alles gar nichts an, er hätte einfach seinen Befehl auszuführen, ohne jemandem dabei wehtun zu wollen. Aber er stieß einen Ruf der Überraschung aus, Maurice war nähergetreten, er warf sich ihm an den Hals und küßte ihn wie ein Bruder den andern.
    »Was, du bist's? ... Meine Schwester hat mir's geschrieben. Und ich wollte dich heute morgen auf den Kriegsbureaus nachfragen!«
    Jeans Augen wurden trübe vor dicken Freudentränen.
    »Ach, mein armer Junge! Wie freue ich mich, dich wiederzusehen ... Ich suchte ja auch nach dir; aber wo sollte ich dich finden in dieser großen Lumpenstadt?«
    Die Menge schimpfte immer noch, so daß Maurice sich umdrehte.
    »Bürger, laßt mich doch mal mit ihnen reden! Das sind brave Leute, ich stehe für sie ein.«
    Er nahm seinen Freund bei beiden Händen und sagte leise:
    »Nicht wahr, du bleibst bei uns?«
    Jeans Gesicht drückte tiefste Überraschung aus.
    »Bei euch, wieso?«
    Dann hörte er einen Augenblick zu, wie Maurice sich über die Regierung aufregte, über die Truppe, deren Leiden er ihm ins Gedächtnis zurückrief, ihm auseinandersetzte, sie müßtenschließlich doch die Herren bleiben, um die Unfähigen und Feigen zu strafen und die Republik zu retten. Und je mehr er sich anstrengte, all dies zu begreifen, desto mehr verdüsterte sich sein ruhiges, ungebildetes Bauerngesicht unter wachsendem Kummer.
    »Ach nein, nein, mein Junge! Ich bleibe nicht, wenn es sich um derartige nette Geschichten handelt ... Mein Hauptmann hat mir gesagt, ich solle mit meinen Leuten nach Vaugirard gehen, und ich gehe hin. Und wenn ich da Gottsdonnerwetter fände, ich ginge doch hin! Das ist doch ganz natürlich, das mußt du doch fühlen.«
    In seiner Herzenseinfalt hatte er wieder angefangen zu lachen. Er setzte hinzu:
    »Du solltest mit uns kommen.«
    Aber da ließ Maurice mit einer Gebärde wütender Abneigung seine Hände los. Beide blieben noch ein paar Sekunden Auge in Auge stehen, der eine ganz unter dem Einflusse des Wahnsinnes, der ganz Paris mit sich riß, dieses weither stammenden Übels, dieses Fäulnisstoffes aus der früheren Regierung, der andere stark in seinem gesunden Menschenverstand und seiner Unwissenheit, gesund durch sein Aufwachsen da draußen, auf dem Boden der Arbeit und der Sparsamkeit. Und doch waren sie beide Brüder, ein festes Band verknüpfte sie miteinander, und es gab ihnen einen Riß, als plötzlich ein Gedränge entstand, das sie voneinander trennte.
    »Auf Wiedersehen, Maurice!«
    »Auf Wiedersehen, Jean!«
    Es war ein Regiment, die 79er, dessen geschlossene Masse aus einer der Seitenstraßen herauskam und die Menge auf die Bürgersteige zurückdrängte. Abermals gab es großes Geschrei,aber sie wagten doch nicht, den von ihren Offizieren geführten Soldaten den Weg zu versperren. Und so wurde die kleine Korporalschaft der 124er losgeeist und konnte ihnen folgen, ohne weiter aufgehalten zu werden.
    »Auf Wiedersehen, Jean!«
    »Auf Wiedersehen, Maurice!«
    Sie grüßten sich noch mit der Hand und gaben dem Schicksal nach, das sie so plötzlich gewaltsam trennte; aber ihr Herz blieb doch eins vom andern erfüllt.
    In den folgenden Tagen vergaß Maurice alles inmitten der außerordentlichen, sich nun überstürzenden Vorgänge. Am 19. wachte Paris ohne Regierung auf und war mehr überrascht als erschreckt, als es von der Panik erfuhr, die während der Nacht die Truppen, die öffentliche Verwaltung, die Ministerien nach Versailles geblasen hatte; und da an diesem Märzsonntag prachtvolles Wetter war, stieg ganz Paris ruhig in die Straßen hinunter, um sich die Barrikaden anzusehen. Ein mächtiger weißer Anschlag des Hauptausschusses, der das Volk zu Gemeindewahlen rief, schien sehr verständig; man war nur sehr erstaunt, ihn von ein paar gänzlich unbekannten Namen unterzeichnet zu sehen. Jetzt in der Dämmerung der Kommune war Paris bei dem Groll über das Erlittene und dem Argwohn, der in ihm spukte gegen Versailles, übrigens bedeutete dies völlige Anarchie, den Kampf zwischen den Bezirksvorstehern und dem Hauptausschuß; die ersteren versuchten ganz unnütz, sich auszusöhnen, während der andere, der sich noch nicht ganz sicher war, obwohl die ganze

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