Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
betritt. Der Gendarm erkennt ihn sofort als den gesuchten Adolf Seefeldt und nimmt ihn fest.
Seefeldt wird nach Berlin überstellt. Die wesentlichen Verhöre führt Lobbes selbst.
Seefeldts Lebensgeschichte ist ein Trauerspiel, durch setzt mit einigen grotesk-komischen Szenen. Er ist das jüngste von neun Geschwistern. Fürsorge und Zuwendung der Eltern erhielt er kaum. Der Vater, ein Maschinenmeister, neigte dem Alkohol zu, die Mutter trieb es mit anderen Männern. Scheidung der Eltern, Adolf blieb beim Vater, der wieder heiratete. Die Stiefmutter war mit den vielen Kindern überfordert, Adolf verachtete die Stiefmutter, er wuchs wild und ohne Wertmaßstäbe auf. Er war etwa zwölf, als ihn zwei Männer zu homosexuellen Handlungen verführten. Nach der Schulentlassung nahm er eine Schlosserlehre auf und brach sie ab, verdiente sich als Hilfsarbeiter seinen Lebensunterhalt. Mit zwanzig Jahren heiratete er eine sechs Jahre ältere Frau; die Ehe hielt nur ein reichliches Jahr. Seefeldt kleidete sich damals gern mit Gehrock, weißer Weste und Zylinder. Er war fünfundzwanzig, als er zum ersten Mal wegen einer Sexualstraftat an einem Achtjährigen ins Zuchthaus kam. Wieder entlassen, folgten weitere Sexualdelikte mit Kindern, die ihm erneut Zuchthausstrafen einbrachten.
Im Zuchthaus las er sehr viel, benahm sich aber auch auffällig. Wochenlang weigerte er sich zu sprechen und verkehrte nur schriftlich mit dem Aufsichtspersonal. Er litt an Lähmungen der Beine und Gliederzucken. Er formte aus Brot und Kot Figuren und spielte damit. Er wurde psychiatrisch untersucht, aber die Gutachter kamen zu unterschiedli chen Urteilen. Die einen hielten ihn für schwachsinnig, andere für einen Simulanten. Ein Gutachter erklärte, er sei strafvollzugsunfähig. Seefeldt wurde in eine Irrenanstalt überwiesen. Ein Psychiater schlug vor, Seefeldt »lebenslänglich unschädlich zu machen, denn jede Aussicht auf Heilung oder Besserung ist natürlich ausgeschlossen«.
Zwischen 1909 und 1926 wurden Zuchthaus und Irrenhäuser Seefeldts eigentliche Heimat. Kurzzeitig dazwischen in Freiheit, beging er neue Sexualdelikte. Schon 1927 mußte er wieder eine Zuchthausstrafe antreten. Niemand ahnte, daß er bereits einen Mord an einem zehnjährigen Jungen begangen hatte. Es folgten weitere Sittlichkeitsverbrechen und Zuchthausaufenthalte.
Kriminalrat Lobbes hat es schwer, Seefeldts Lebensgeschichte zu rekonstruieren. Seefeldt wehrt sich, allzuviele Einzelheiten preiszugeben. »Für mich«, erklärt er immer wieder, »ist die Vergangenheit tot. Ich will nicht darüber sprechen.« Mit seinen früheren Straftaten konfrontiert, gibt er nur das zu, was aktenkundig und nicht mehr abzuleugnen ist. Lobbes geht sehr behutsam vor. Anfangs vernimmt er Seefeldt nur zu Sexualdelikten, von den Todesfällen ist vorerst nicht die Rede.
Als er sich dann schließlich doch an die mutmaßlichen Mordtaten herantastet, ändert Seefeldt seine Taktik. Nun zeigt er sich bereit, auch bisher geleugnete Sittlichkeitsverbrechen zu gestehen. Aber Kinder getötet zu haben, lehnt er entschieden ab: »Bester Herr, die Kinder, die mit mir zusammen waren, leben alle noch! Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen!«
Doch Seefeldt hilft sein Leugnen nicht. Lobbes besitzt einen unwiderlegbaren Beweis für Seefeldts Täterschaft. Im Rucksack des Uhrmachers war ein Notizbuch gefunden worden, in dem er Orte und Daten seiner Wanderschaft aufgezeichnet hatte. Diese Angaben wurden mit Tatort und Tatzeit bei den einzelnen Opfern verglichen, und dabei wurde völlige Übereinstimmung festgestellt.
So gelangte Lobbes zu folgenden Indizien:
Seefeldt hat sich immer zeitlich an einem Ort bzw. in dessen Umgebung aufgehalten, wenn dort ein Junge, der später als Leiche aufgefunden wurde, verschwand. Seefeldt hat niemals geleugnet, daß seine Aufzeichnungen den Tatsachen entsprechen.
Wenn nur in einem einzigen Fall bewiesen worden wäre, daß Seefeldt vom Tatort so weit entfernt gewesen war, daß eine Täterschaft auszuschließen war, hätte das die Beweiskraft des Indizes wesentlich abgeschwächt. Das war jedoch nicht der Fall.
Der jeweilige Tatort (Kiefernschonung) wurde nicht nur zur Tötung, sondern oft auch bei anderen Sexualstraftaten benutzt.
Sämtliche Leichen wurden in der charakteristischen Schlafstellung gefunden.
Alle Opfer trugen Matrosenanzüge.
Auch gegenüber diesen Indizien leugnet Seefeldt hartnäckig, die Kinder getötet zu haben. Immer mehr in die Enge getrieben,
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