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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Liebe sucht«, fügte er zur Bekräftigung hinzu, aber er merkte sofort, wie blöd das klang.
    »Warum soll sie Liebe suchen?«
    »Eigentlich sucht sie die Liebe! Ich kenne sie ja.«
    »Das möchtest du.«
    »Wir haben bisher viel darüber geredet.«
    Idas Augenbrauen wölbten sich amüsiert. »Ich stelle mir gerade vor, wie ich mit siebzehn mit meinem Vater über Liebe rede«, kicherte sie und aß eine Weile schweigend. »Du unterstellst ihr, dort Liebe zu suchen. Zugleich glaubst du, dass sie sie dort nicht finden kann.«
    Er legte sein Besteck ab. Ida wollte ihn die enge Gasse seiner Verbohrtheit entlangtreiben. Bestimmt hatte sie schon vorausgeplant, wie sie an der nächsten Ecke lässig wie Sokrates an die Wand gelehnt auf ihn warten und mit dem Widerspruch winken konnte.
    »Dann erklär mir doch, was sie sucht.«
    »Mit wem sie ins Bett geht, ist doch gar nicht so wichtig.«
    Er hustete. »Was dann?«
    »Was sie dabei empfindet und erlebt. Sie will sich ein bisschen schmutzig machen!«
    Idas Augen funkelten.
    »Was redest du da?«
    »Am Leben, Kjell, nicht an der Sünde! Sie will sich ihre Hände am Leben schmutzig machen. Nicht beschmutzen. Sie holt weit aus und greift hinein.« Ida bemerkte Kjells fassungslosen Blick.
    »Mein Gott! Sie geht ins Atelier, um sich einmal leidenschaftlich lieben zu lassen. Das wirst du doch wohl kapieren.«
     
    Es war mitten in der Nacht. Die leeren Teller standen vor ihnen. John redete seit einer halben Stunde über Kunsttheorie. Etwas Väterliches war in ihm aufgeblüht. Damit wollte er ein unangenehmes Schweigen überspielen, das beim Essen entstanden war. Linda wollte das nicht. Sag doch was, flehte sie im Stillen. Sie dachte an die Nächte, wenn Papa sie aus dem Schlaf weckte. Dann hatte er Spaghetti gekocht, immer zwischen zwei und drei Uhr. Während sie aßen, erzählte er, ob er sich einsam fühlte oder gerade glücklich war. Über solche Themen sprachen sie nur zu dieser Stunde. Und sie antwortete dann, worauf sie alles hoffte und wovor sie sich fürchtete. Sie hatte immer mehr gehofft als gefürchtet.
    « … findet Jone«, beendete John einen Satz, dessen Anfang Linda verpasst hatte.
    »Jone?«, fragte Linda.
    »Meine Frau«, antwortete John erstaunt.
    »Du hast eine Frau?«
    »Hast du das nicht gewusst? Einen Sohn habe ich auch.«
    »Nein«, flüsterte Linda und rieb sich über die Augenhöhlen. »Das habe ich nicht gewusst.«
     
    Vor der Haustür blickte er zum Himmel hinauf, wo die Sterne so hell strahlten, dass sie unweigerlich die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Er hatte den dicken Sportanzug angezogen, der mit Sicherheit gerade seinen einzigen Einsatz in diesem Winter erlebte. Gelegentlich streifte ihn eine kalte Bö. Er lief über das Schneefeld am Schuppen vorbei und folgte dann dem Weg hinab zum Ufer. Der zwei Tage alte Schnee knirschte laut, so dass Sofi ihn gleich bemerkte. Sie wartete bei den Booten. Ihre Nasenspitze war rot. Sie trug ihre himmelblaue Daunenjacke, deren gesteppte Kammern sich vor Daunen nur so wölbten. Im Büro berührte er die Jacke manchmal im Vorbeigehen, wenn sie am Haken hing. Der Stoff war weich und glatt.
    »Es geht um das Passwort, oder? Dir ist etwas aufgefallen.«
    Sofi nickte. »Hast du dich nicht gefragt, warum die Säpo so viel über Petersson gesammelt hat?«
    »Glaubst du, dass Spionage auch zu seinen Talenten gehört hat?«
    Sofi lächelte. Sie setzten sich in Bewegung und schlenderten am Kai entlang. Der Wind wehte Sofi die Haare ins Gesicht.
    »Ich frage mich, wer das alles programmiert hat. Die Idee mit den Hieroglyphen stammt sicherlich von ihm, obwohl schon so gut wie jede exotische Sprache für andere Zwecke missbraucht worden ist. Aber der Rest kann nicht von ihm stammen.«
    »Wieso bist du dir so sicher?«
    »Weil ich bis zur Eingabe des Passworts nicht verstanden habe, was am anderen Ende der Leitung genau passieren soll. Petersson kann diese Fähigkeiten nicht besessen haben.«
    Kjell verstand nun, weshalb Sofis Eifer in den letzten Tagen immer mehr geschwunden war. Sie hatte gespürt, dass ihre Fähigkeiten nicht ausreichten, die Barriere auf technischem Weg zu überwinden.
    »Du glaubst an die Säpo?«
    »Nein, es ist militärisch. Es ist eine völlig eigene Softwareumgebung. Sie ist nicht auf dem neuesten Stand. Ich schätze, die Version ist fünf Jahre alt. Ich kenne eine etwas ältere Variante. Und die stammt von der FRA.«
    »Dem Abhördienst?«
    Sofi reckte den Arm und zeigte nach Westen. »Die sitzen dort

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