Des Teufels Kardinal
schreckliche Angst vor der italienischen 174
Polizei. Was kann unsere Botschaft tun, um mir zu helfen? Sie muß doch irgend etwas tun können.«
Eaton betrachtete Harry sekundenlang nachdenklich. Dann stand er auf, ergriff ihre Gläser, trat an den Barschrank und schenkte ihnen beiden nach.
»Von Rechts wegen, Mr. Addison, hätte ich unseren Generalkonsul verständigen müssen, sobald Adrianna mich angerufen hatte. Aber dann wäre er verpflichtet gewesen, die italienischen Behörden einzu-schalten. Ich hätte einen Vertrauensbruch begangen, und Sie hätten im besten Fall hinter Gittern gesessen. Und das hätte keinem von uns beiden viel genutzt.«
Harry starrte ihn verwirrt an. »Was soll das heißen?«
»Wir sind in der Informationsbranche tätig, Mr. Addison, nicht als Strafverfolger. Berater für politische Angelegenheiten müssen das politische Klima des Landes kennen, in dem sie eingesetzt sind. In unserem Fall betrifft das nicht nur Italien, sondern auch den Vatikan.
Die Ermordung des Kardinalvikars von Rom und der Bombenanschlag auf den Reisebus, die nach Ansicht der hiesigen Polizei irgendwie zusammenhängen, betreffen beide Staaten.
Als Privatsekretär Kardinal Marscianos hat Ihr Bruder innerhalb der kirchlichen Hierarchie eine Vorzugsstellung bekleidet. Falls er den Kardinalvikar ermordet hat, dürfte er kaum auf eigene Faust gehandelt, sondern Hintermänner gehabt haben. Dann wäre dieser Mord vermutlich nicht isoliert zu betrachten, sondern Bestandteil einer größeren Intrige auf höchster Ebene des Heiligen Stuhls.« Eaton kam zurück und gab Harry sein Glas. »Und dort liegen unsere Interessen, Mr. Addison. Im Vatikan selbst.«
»Aber wenn mein Bruder unschuldig ist? Wenn er überhaupt nichts mit dem Mord zu tun hat?«
»Ich muß glauben, was die Polizei vermutet: daß der Anschlag auf den Bus verübt worden ist, um Ihren Bruder zu beseitigen. Die Täter haben ihn für tot gehalten, aber jetzt sind sie sich ihrer Sache nicht mehr sicher und haben eine Heidenangst davor, was er weiß und aussagen könnte. Deshalb werden sie nichts unversucht lassen, um ihn aufzuspüren und zum Schweigen zu bringen.«
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»Was er weiß? Was er aussagen könnte?« Harry verstand plötzlich.
»Sie selbst wollen ihn also auch aufspüren.«
»Richtig«, bestätigte Eaton gelassen.
»Nein, ich meine Sie persönlich, nicht die Botschaft. Deswegen sind Sie hier.«
»Ich bin einundfünfzig und noch immer Sekretär, Mr. Addison. Ich bin schon öfter bei Beförderungen übergangen worden, als ich eingestehen möchte. Aber ich will nicht als Sekretär pensioniert werden.
Deshalb brauche ich etwas, das es meinen Vorgesetzten unmöglich macht, mich nicht zu befördern. Die Aufdeckung irgendwelcher dunklen Machenschaften im Vatikan würde diesen Zweck sehr gut erfüllen.«
»Und ich soll Ihnen dabei helfen?« Harry wollte seinen Ohren nicht trauen.
»Nicht nur mir, Mr. Addison. Damit helfen Sie auch sich selbst.
Was Ihr Bruder weiß… er ist der einzige, der Ihnen aus der Patsche helfen kann. Das wissen Sie so gut wie ich.«
Harry starrte Eaton nur schweigend an.
»Falls er noch lebt und um sein Leben fürchtet. Woher soll er wissen, daß der Videofilm eine unter Zwang entstandene Fälschung ist?
Er weiß nur, daß Sie ihn aufgefordert haben, sich zu stellen. Und wenn er nicht weiter weiß, muß er jemandem vertrauen – am besten seinem Bruder.«
»Schon möglich. Aber das nützt nichts, denn er weiß nicht, wo ich bin. Und ich weiß nicht, wo er ist. Das weiß kein Mensch.«
»Glauben Sie nicht auch, daß die Polizei alle Fahrgäste des Busses unter die Lupe nimmt, die Überlebenden und die Toten, um herauszubekommen, was passiert ist? Um herauszubekommen, wo der Wechsel stattgefunden hat, der Ihrem Bruder die Flucht ermöglicht hat?«
»Was nützt mir das?«
»Adrianna…«
»Adrianna?«
»Sie ist ein Vollprofi. Sie hat gleich bei Ihrer Ankunft in Rom von Ihnen gewußt.«
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Harry starrte ins Leere. Deshalb hatte sie sich im Hotel an ihn her-angemacht. Er hatte ihr das sogar vorgeworfen und versucht, sie abzuwimmeln. Aber sie hatte nicht lockergelassen, weil sie unbedingt an eine Story herankommen wollte, die sie bereits witterte. Ja, sie war ein Vollprofi. Genau wie er selbst. Und das hätte er merken müssen, denn sie gingen beide in dem Beruf auf, der ihr Lebensinhalt war.
»Warum hat sie mich Ihrer Meinung nach angerufen, nachdem sie mit Ihnen telefoniert hatte? Sie hat genau gewußt, was sie
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