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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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auffällig umzusehen. Nach einem Blick auf ihre Armbanduhr setzte sie sich einige Meter entfernt von einem Mann, der ein Aquarell malte, auf eine Steinbank. Harry wartete noch immer unschlüssig. Schließlich stand er auf, gab vor, sich für das Aquarell zu interessieren, ging dann hinter ihr vorbei und nahm auf der Bank gegenüber Platz. Zu seiner Verblüffung glitt ihr Blick über ihn hinweg, während sie sich unauffällig umsah. Sein Bart und seine Verkleidung tarnten ihn offenbar besser, als er bisher angenommen hatte. Trotz seiner schwierigen Lage machte die Vorstellung, sie habe ihn nicht erkannt, soviel Spaß, daß er sich lächelnd nach vorn beugte, um sie halblaut anzusprechen.
    »Hätte die Dame vielleicht Lust, mit einem Priester zu bumsen?«
    Sie fuhr zusammen und starrte ihn so aufgebracht an, daß er schon fürchtete, sie werde ihn ohrfeigen. Aber dann antwortete sie mit ebenso leiser Stimme:
    »Ein Priester, der einer Dame einen unsittlichen Antrag machen will, sollte das wenigstens unter vier Augen tun.«
    Das Apartment zwölf lag im obersten Stock des vierstöckigen Wohngebäudes Via di Montoro 23, zehn Gehminuten von der Piazza Navona in Richtung Tiber entfernt. Es gehöre einem Freund, der verreist sei, aber Verständnis haben würde, erklärte Adrianna Harry.
    Dann stand sie plötzlich auf, ging davon und ließ den Plastikbecher zurück. Der Schlüssel lag darin.

    170
    Harry betrat die Eingangshalle, fuhr mit dem kleinen Aufzug nach oben und fand die Nummer zwölf am Ende des Korridors.
    Drinnen schloß er die Tür hinter sich ab und sah sich um. Die kleine, aber behaglich eingerichtete Wohnung bestand aus zwei Zimmern, Küche und Bad. Im Kleiderschrank des Schlafzimmers hingen Männersachen: mehrere Hosen, Sportsakkos und zwei Anzüge. Im Wohnzimmer standen ein Telefon und ein kleiner Fernseher, und in der Nische am Fenster war ein Computerarbeitsplatz eingerichtet.
    Harry blieb seitlich am Fenster stehen und blickte auf die Straße hinunter. Dort unten war nichts Verdächtiges zu sehen: Autos, Motorroller, einige Fußgänger.
    Er zog sein schwarzes Jackett aus, hängte es über eine Stuhllehne und ging in die Küche. Dort nahm er ein Glas aus dem Hängeschrank über dem Ausguß und wollte es mit Wasser füllen, aber plötzlich mußte er es abstellen. Die Küche schien sich vor seinen Augen zu drehen, und er rang nach Atem. Seine emotionale und körperliche Erschöpfung hatte ihn eingeholt. Daß er überhaupt noch lebte, war ein Wunder. Daß er nicht mehr auf den Straßen umherirren mußte, war ein Geschenk der Götter.
    Schließlich beruhigte er sich soweit, daß er sich das Gesicht mit kaltem Wasser waschen und wieder gleichmäßig atmen konnte. Wie lange war es her, daß er sich von Herkules verabschiedet hatte und auf eigene Faust losgezogen war? Drei Stunden, vier? Er wußte es nicht. Jegliches Zeitgefühl war ihm abhanden gekommen. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Siebzehn Uhr zehn am Freitag, dem 10. Juli – acht Uhr zehn in Los Angeles. Er sah unwillkürlich zum Telefon hinüber.
    Nein. Unmöglich. Nicht einmal daran denken. Inzwischen würde das FBI die Telefone aller seiner Freunde und Kollegen abhören.
    Falls er sie anzurufen versuchte, würde man seinen Aufenthaltsort sekundenschnell ermitteln. Und wie hätte jemand ihm von Amerika aus helfen können, selbst wenn es ihm gelang, dort anzurufen, ohne geschnappt zu werden? Was konnte überhaupt jemand für ihn tun, sogar Adrianna? Er war in einem gräßlichen Alptraum gefangen, der jedoch kein Traum, sondern nackte, brutale Wirklichkeit war.

    171
    Außerhalb dieser kleinen Wohnung gab es nirgends einen Ort, den er aufsuchen konnte, ohne zu riskieren, erkannt und der Polizei übergeben zu werden. Aber wie lange war er selbst hier sicher? Er konnte nicht unbegrenzt hier oben bleiben.
    Plötzlich hörte er nebenan ein Geräusch. Ein Schlüssel war in die Wohnungstür gesteckt worden. Sein Herz jagte, als er sich an die Küchenwand drückte. Dann hörte er, wie die Tür geöffnet wurde.
    »Mr. Addison?« rief eine Männerstimme fordernd.
    Harry konnte seine schwarze Jacke sehen, die er im Wohnzimmer über die Stuhllehne gehängt hatte. Der Mann, der eben hereingekommen war, mußte sie ebenfalls sehen. Harry sah sich rasch um.
    Die winzige Küche hatte keinen zweiten Ausgang. Er konnte sie nur durch die Tür verlassen, durch die er sie betreten hatte.
    »Mr. Addison?« fragte die Stimme wieder.
    Verdammt! Adrianna hatte ihn in

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