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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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langsam ab. Er betrachtete erst den Fußboden, dann starrte er die Decke an. Durchs Fenster sah er die Sonne blutrot aus der Adria aufsteigen. Schließlich drehte er sich wieder um.
    »Vielleicht ist er es wirklich nicht.«
    »Ispettore capo…«
    Die Kriminalbeamten sahen auf, als einer ihrer Kollegen aus Pescara hereinkam.
    »Wir haben vielleicht noch etwas. Der Gerichtsmediziner hat eben die Leiche einer Frau untersucht, die letzte Nacht bei einem Woh-nungsbrand umgekommen ist.«
    Roscani wußte bereits, was kommen würde. »Aber sie ist nicht in den Flammen umgekommen.«
    »Nein, sie ist ermordet worden.«

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    61
    Rom.
    6.30 Uhr
    Harry ging mit gesenktem Kopf und ohne auf den morgendlichen Verkehr zu achten, der neben ihm über die Via dei Fori Imperiali brauste, in Richtung Kolosseum. Im Augenblick war Bewegung alles, das einzige Mittel, um nicht den Verstand zu verlieren. Autos, Busse, Motorroller röhrten und tuckerten an ihm vorbei. Die gesamte Einwohnerschaft der Stadt schien unterwegs zu sein und konzentrierte ihre Gedanken und Gefühle ganz und unschuldig auf den vor ihr liegenden Tag, wie er selbst es bisher jeden Morgen getan hatte, bevor er nach Rom gekommen war. Das war so routinemäßig und bequem gewesen wie ein Paar gut eingelaufener Schuhe.
    Aufstehen um sechs, eine Stunde Training im Gymnastikraum neben seinem Schlafzimmer, dann duschen, Frühstück mit Mandanten oder potentiellen Mandanten und Fahrt ins Büro. Sein Mobiltelefon nie außer Reichweite, nicht einmal unter der Dusche. Genau wie jetzt, wo er ein Mobiltelefon in der Tasche hatte. Aber er durfte nicht wagen, es zu benutzen. Die Telefonüberwachung hätte sofort festgestellt, in welchem Sendebereich er sich aufhielt, und die nähere Umgebung wäre von der Polizei blitzschnell abgeriegelt worden.
    Plötzlich kam er aus hellem Sonnenschein in tiefen Schatten. Als er den Kopf hob, sah er, daß er sich im Schatten des Kolosseums befand. Dann nahm er im Halbdunkel vor sich eine Bewegung wahr und blieb stehen. Unter einem der alten Bogen stand eine in Lumpen gehüllte Frau, die ihn beobachtete. Im nächsten Augenblick tauchte eine weitere ähnliche Gestalt neben ihr auf. Und eine dritte, die einen Säugling auf dem Arm trug. Zigeunerinnen.
    Als Harry sich umdrehte, war er von mindestens acht bis zehn Frauen umgeben. Sie kreisten ihn langsam ein, einzeln oder paarwei-se. Die meisten hatten kleine Kinder bei sich. Harry sah zur Straße hinüber. Dort war niemand. Kein Aufseher, keine Touristen, niemand.

    229
    Plötzlich spürte er, daß jemand an seiner Hose zupfte, und sah nach unten. Eine alte Frau hob sein Hosenbein hoch, um seine Schuhe besser begutachten zu können. Er riß sich los, wich vor ihr zurück.
    Aber das nutzte nichts, denn nun lief er einer anderen Frau in die Hände. Sie war jünger. Und ihr Grinsen ließ sehen, daß ihr ein Vor-derzahn fehlte. Während sie die eine Hand bettelnd ausstreckte, prüf-te sie mit der anderen die Qualität seines Hosenstoffs. Daß er ein Priester zu sein schien, störte niemanden. Dann fühlte er, wie eine Hand seinen Rücken streifte, um ihm die Geldbörse aus der Tasche zu ziehen.
    Harry warf sich blitzschnell herum. Seine Hand schoß nach vorn, bekam mehrere Lagen Stoff zu fassen, riß sie hoch und zerrte eine wild kreischende junge Frau zu sich heran. Die anderen wichen ängstlich zurück, weil sie nicht wußten, was sie tun sollten. Inzwischen strampelte, heulte und kreischte die junge Frau in seinem Griff, als werde sie ermordet. Er zog sie ruckartig zu sich heran, bis ihr Gesicht nur noch eine Handbreit von seinem entfernt war.
    »Herkules«, sagte er halblaut. »Ich suche Herkules.«
    Der Zwerg hatte eine Hand in die Hüfte gestemmt, stützte das Kinn in die andere und starrte Harry durchdringend an. Es war kurz nach Mittag, und die beiden saßen in dem römischen Stadtteil Gianicolo jenseits des Tibers auf einem kleinen, staubigen Platz. Am Rand brauste der Mittagsverkehr auf einem Boulevard vorbei, aber abgesehen von zwei alten Männern auf einer anderen Bank waren sie hier allein. Harry wußte allerdings, daß die Zigeuner irgendwo unsichtbar im Hintergrund waren und sie beobachteten.
    »Ihretwegen hat die Polizei meinen Tunnel entdeckt. Ihretwegen muß ich jetzt unter freiem Himmel kampieren. Vielen Dank auch!«
    Herkules war aufgebracht und empört.
    »Tut mir leid…«
    »Und trotzdem sind Sie wieder da. Weil Sie um Hilfe bitten wollen, denke ich, statt welche zu

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