Des Teufels Plan: Thriller (German Edition)
die Türen waren mit Graffiti vollgesprayt. Als er aufblickte, sah er hinter einigen Fenstern verschwommene Gesichter. Sie schienen nicht zu ihm herunterzuschauen, sondern einfach ausdruckslos in die Ferne zu starren.
Er trat durch die Flügeltür in den Empfangsbereich, wo eine füllige Frau mit krauser Dauerwelle, von deren Hals eine Brille an einer Kette herabhing, ihm zulächelte. Sie hob die Hand, da sie noch mit jemandem telefonierte. Als sie aufgelegt hatte, lächelte sie ihn erneut an und fragte ihn, wie sie ihm helfen könne. Nachdem sie mit Mrs. Fraser Rücksprache genommen hatte, zeigte sie in den Korridor, der zum Büro der Heimleiterin führte.
Er klopfte an und wurde hereingebeten. Mrs. Fraser war Anfang fünfzig und sehr dünn. Sie hatte das glänzende Haar kastanienbraun gefärbt. Auf ihrer Nasenspitze saß eine Brille mit dicken Gläsern, aber die nahm sie ab, als sie aufstand und ihm die knochige Hand reichte. Nightingale schüttelte sie behutsam. » Es wäre wohl am besten, wenn wir beim Gehen reden « , sagte sie und führte ihn aus dem Büro und durch den Korridor. » Kennen Sie eine Mrs. McFee? Mrs. Fiona McFee? «
» Ich glaube nicht. Lebt sie hier im Heim? «
Mrs. Fraser nickte. » Ja, seit beinahe zehn Jahren. Sie ist eine unserer ältesten Bewohnerinnen. «
» Ich kenne hier niemanden « , erklärte Nightingale. » Ich habe ja überhaupt erst letztes Jahr erfahren, dass meine Mutter hier war. «
» Die ganze Sache ist sehr eigenartig « , erwiderte Mrs. Fraser. » Soweit wir wissen, hat Ihre Mutter Mrs. McFee niemals kennengelernt. Tatsächlich hatte Ihre Mutter ja in ihrer Zeit hier mit überhaupt niemandem Kontakt. «
Sie öffnete eine Feuerschutztür, führte ihn eine Treppe hinauf und in einen weiteren Korridor. Dort kamen sie zu einer Tür mit einem Schild, auf dem » Krankenabteilung « stand. Am Ende des Korridors stand eine Schwester in weißer Tracht, und Mrs. Fraser winkte lächelnd. » Wir schauen nur nach Mrs. McFee « , sagte sie, und die Schwester nickte und kehrte zu ihrem Papierkram zurück.
» Da wären wir « , sagte die Heimleiterin und öffnete eine Tür. Im Zimmer stand ein Krankenhausbett, in dem eine weißhaarige alte Dame lag. Eine Magensonde schlängelte sich von einem Kunststoffbeutel, der an einem Ständer hing, in ihre Nase. Mrs. Fraser machte die Tür behutsam zu. » Mrs. McFee liegt seit einigen Wochen im Koma « , erklärte sie. » Eigentlich scheint ihr nichts zu fehlen, nur wacht sie einfach nicht mehr auf. Wir müssen sie künstlich ernähren und mit Flüssigkeit versorgen, aber sie braucht keine Medikamente. Es gibt keinerlei Hinweise auf einen Schlaganfall oder Organversagen. «
» Sollte sie dann nicht im Krankenhaus sein? « , fragte Nightingale.
» Unser Arzt hat sie untersucht, und wir haben einen Neurologen hinzugezogen. Alle sind übereinstimmend der Meinung, dass man in einem Krankenhaus nichts für sie tun könnte, was nicht ebenso gut hier geschehen kann. Wir beobachten sie also, pflegen sie und warten ab. Sie ist natürlich schon eine alte Dame. Fast neunzig. «
» Aber gesund? «
» Geistig ja, sie war bei ganz klarem Verstand. Aber sie hatte Probleme mit Herz und Nieren, und sie hat Diabetes. « Sie zuckte mit den Schultern. » Das Alter « , sagte sie. » Der Körper ist irgendwann einfach verbraucht, da kann man machen, was man will. «
Nightingale lächelte. » Ja, dasselbe Problem habe ich mit meinem Wagen. «
Mrs. Fraser sah ihn streng an. » Das ist wohl kaum das Gleiche, Mr. Nightingale. « Nightingale machte den Mund auf, um sich zu entschuldigen, aber sie schaute schon wieder nach der alten Frau. » Eines Tages ist sie einfach nicht mehr aufgewacht. Aber hin und wieder sagt sie etwas. «
Nightingale spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten. Er wusste schon, was als Nächstes kommen würde.
» Sie sagt Ihren Namen, Mr. Nightingale. Manchmal ist es nur ein Flüstern, und manchmal schreit sie ihn aus voller Kehle. «
» Ohne aufzuwachen? «
Mrs. Fraser streichelte den Arm der alten Frau. » Das ist schwer zu sagen. Manchmal hat sie die Augen auf, aber gleich danach ist sie wieder im selben Zustand wie jetzt. «
» Und warum haben Sie mich gebeten herzukommen, Mrs. Fraser? «
» Offen gestanden hatte ich gehofft, dass Sie sie kennen würden, Mr. Nightingale. Mrs. McFees Situation ist ganz ähnlich wie die Ihrer verstorbenen Mutter, als sie hier gelebt hat. Es gibt, soweit wir wissen, keine nahen Verwandten, und
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