Des widerspanstigen Zaehmung
Simon, Öffnete die blutunterlaufenen Augen und sah sich ungläubig um. „Sedgecroft. Jane. All die Blumen." Er stützte sich auf einen Ellbogen auf. „Ist jemand gestorben? War o Gott, wurde Nigel gefunden? Sind wir etwa auf dem Weg zu seiner Beerdigung?"
Wütend betrachtete Jane seine hoffnungslos zerknitterte Kleidung, während er verkniffen ins Licht blinzelte. „Niemand ist gestorben, Simon", sagte sie betont. „Du bist als mein Aufpasser hier, selbst wenn du in dieser Funktion völlig nutzlos zu sein scheinst."
Er fuhr sich durch sein zerzaustes braunes Haar. „An deiner Stelle würde ich nicht so reden. Dieses Kleid ist sehr gewagt für ..." Der warnende Blick, den Sedgecroft ihm sofort zuwarf, ließ ihn den Satz abbrechen. „Hat denn irgendwer etwas von Nigel gehört?"
„Kein Wort", gestand Sedgecroft mit verbissener Miene. „Ich stelle immer noch Nachforschungen an, doch es sieht so aus, als sei er spurlos aus London verschwunden."
Simon seufzte, dann fragte er: „Wohin sind wir denn dann unterwegs?"
„Zum Frühstück beim Duke of Wenderfield", erwiderte Grayson.
Jane beugte sich vor, um einen weißen Seidenstrumpf aus der Weste ihres Bruders zu ziehen. „Lieber Gott, Simon, wo hast du dich bloß letzte Nacht herumgetrieben?"
„Ich kann mich nicht erinnern", meinte er mit einem hilflosen Schulterzucken. „Ich weiß ja nicht mal, wie ich hierher gelangt bin."
„Sie haben einen mitternächtlichen Maskenball besucht", sagte Grayson beiläufig, während er Jane die Hand hinhielt, um ihr hochzuhelfen. „Ihr Kutscher fand Sie halb bewusstlos zwischen einer Nonne und Kleopatras Dienerin."
„Waren wir drei ... "
Grayson räusperte sich. Das amüsierte Funkeln in seinem Blick sprach Bände. „Ich denke, wir sollten diese Unterhaltung ein anderes Mal zu Ende führen, Simon."
Angewidert warf Jane den Strumpf auf den Boden. „Und ich denke, die Antwort auf diese Frage ist leider offensichtlich."
Grayson machte sich nicht die Mühe, die jungen Männer auf den Stufen zum Eingang zu begrüßen. Ihre große Neugier bei Janes Anblick machte ihn wütend. Einer aus der Gruppe hatte sie tatsächlich erkannt.
„Sedgecroft", sagte sie. Ihre Stimme klang fest, doch es war ein verzagter Unterton herauszuhören.
„Schon gut, Jane", erwiderte er kühl. „Lächeln Sie, aber bleiben Sie nicht stehen. Die werden es schon begreifen."
Sie riefen ihn, sie warfen sich in die albernsten Posen, nur damit er sie wenigstens zur Kenntnis nahm. Zum Teufel mit ihnen, dachte Grayson, dessen Blick nichts verriet. Zum Teufel mit ihrer frechen Art, Jane auf eine Weise anzustarren, als sei sie eine Frau von zweifelhaftem Ruf, Am liebsten hätte er jedem Einzelnen von ihnen diesen verschlagenen Ausdruck vom Gesicht gewischt.
„Ich habe es Ihnen ja gesagt", hörte er Jane sagen.
Trotz der leicht zitternden Stimme wirkte sie völlig gefasst. Er war so daran gewöhnt, die öffentliche Meinung zu ignorieren, dass ihn sein schlechter Ruf vermutlich nicht weiter gestört hätte, wäre er mit einer anderen Frau unterwegs gewesen. Mrs. Parks etwa hätte als Reaktion auf dieses Theater lediglich gut gelaunt zu einer beleidigenden Geste ausgeholt.
„Es könnte Ihnen sehr helfen, Jane", murmelte er ihr zu, „wenigstens einmal nicht ganz so reserviert zu sein."
„Ich glaube, dafür ist die Welt noch nicht bereit", erwiderte sie zu seiner Verwunderung.
Einer der jungen Männer hob sein Monokel hoch, um Jane genauer anzusehen, doch als er den mörderischen Blick des Marquess sah, ließ er es gleich wieder sinken.
Sekundenlang überlegte Grayson, ob er in Aktion treten, diesen dreisten Kerl packen und die Treppe hinab hinter sich her zerren sollte, um ein Exempel zu statuieren. Doch ein weiterer Skandal würde Jane nicht helfen. Es war das erste Mal, dass er seinen Zorn hinunterschluckte und über die möglichen Folgen seines Verhaltens nachdachte.
Einige Anstrengung war erforderlich, um den Fallstricken auszuweichen, die die Gesellschaft für Jane bereithielt. Er würde auf der Hut sein müssen, um sie zu beschützen, damit niemand sie beleidigte oder sich ihr auf unschickliche Weise näherte. Das war ihm bereits klar gewesen, als er ihr seine Hilfe angeboten hatte.
Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass er selbst sie so leicht vom rechten Weg würde abbringen können.
„Was denken Sie gerade, Jane?”, fragte er leise.
„Das kann ich Ihnen nicht sagen, Sedgecroft. Sie wären schockiert."
„Aber ich doch
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