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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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In der Ecke? Einer ist runtergefallen. Einer ist vom H-h-h-«
Haken wollte sie wahrscheinlich sagen, aber das Stottern
wurde zu einem kläglichen Wimmern, und sie fing an zu weinen. Steve nahm sie in die Arme, hielt sie fest, spürte ihr
heißes, nasses Gesicht an seiner Brust pulsieren. Weit unten an
seiner Brust. Sie war so gottverdammt klein.
Über ihr zerzaustes, extravagant gefärbtes Haar hinweg
konnte er die andere Seite des Zimmers sehen und stellte fest,
daß sie recht hatte - in der Ecke lag eine zusammengesackte
Leiche. Alles in allem vierzehn Tote, mindestens drei davon
Frauen. Bei manchen konnte man es nicht mit Sicherheit sagen, da ihre Köpfe herabhingen und sie das Kinn auf die Brust
preßten. Neun trugen Laborkittel - nein, zehn, den in der Ecke
mitgezählt -, zwei Jeans und Hemden mit offenem Kragen.
Zwei andere trugen Anzüge, schmale Krawatten, Cowboystiefel. Einer von denen schien keine linke Hand zu haben,
und Steve war sich ziemlich sicher, wo diese Hand abgeblieben war, o ja, allerdings. Die meisten waren erschossen worden und mußten ihren Mörder angesehen haben, denn Steve
konnte klaffende Austrittswunden hinten in den gesenkten
Köpfen sehen. Aber mindestens drei waren aufgeschnitten
worden wie Fische. Sie hingen mit blutgetränkten weißen Kitteln da, während ihre Eingeweide herausbaumelten und sich
Blutlachen unter ihnen gebildet hatten.
»Jetzt haben wir Mary Chapin Carpenter hier, die uns
erzählen wird, weshalb heute ihr Glückstag ist«, sagte der
Sprecher, der aufgekratzt aus einem erneuten Flakbeschuß
statischen Rauschens auftauchte. »Vielleicht war sie bei Whalen in Austin. Mal sehen.«
Mary Chapin Carpenter erzählte den im Labor der Bergwerksgesellschaft von Desperation hängenden Männern und
Frauen von ihrem Glückstag, wie sie in der Lotterie gewonnen hatte und so weiter, und Steve ließ Cynthia los. Er machte
einen Schritt in das Labor und schnupperte. Er konnte keine
Pulverrückstände riechen, was möglicherweise nicht viel zu
sagen hatte
- die Klimaanlage wälzte die Luft hier drinnen
wahrscheinlich ziemlich schnell um
-, aber das Blut an den
ausgeweideten Leichen war getrocknet, und das bedeutete
höchstwahrscheinlich, daß der Täter längst über alle Berge
war.
»Verschwinden wir!« zischte Cynthia und zupfte an seinem
Arm.
»Okay«, sagte er. »Nur -«
Er verstummte, als ihm etwas auffiel. Es stand am Ende des
Computertischs, rechts von dem Monitor mit dem GoofyBildschirmschoner. Kein Stein, jedenfalls nicht nur ein Stein.
Eine Art Artefakt aus Stein. Er ging hin und sah darauf hinab.
Das Mädchen lief hinter ihm her und zupfte ihn wieder am
Arm. »Was ist los mit Ihnen? Das ist keine Besichtigungstour!
Wenn nun -« Dann sah sie, was er betrachtete - sah es wirklich und verstummte. Sie streckte zaghaft einen Finger aus und
berührte es. Stöhnend zog sie den Finger zurück. Im selben
Moment zuckte ihr Becken vor, als hätte sie einen Elektroschock bekommen, und stieß gegen die Tischkante. »Heilige Scheiße«, keuchte sie. »Ich glaube, ich hatte gerade -«
Und damit hörte sie auf.
»Was?«
»Nichts.« Aber es sah aus, als wäre sie rot geworden, daher
vermutete Steve, daß doch etwas dran war. »Ein Bild von diesem Ding müßte im Lexikon neben dem Wort häßlich abgebildet sein.«
Die Figur stellte einen Wolf oder Kojoten dar, und obwohl
sie nur rudimentär ausgeführt worden war, übte sie eine so
starke Faszination aus, daß die beiden zumindest ein paar
Sekunden vergaßen, daß sie keine zwanzig Meter von den
Spuren eines Massakers entfernt standen. Der Kopf des Tiers
war in einem seltsamen Winkel angelegt (einem irgendwie hungrigen Winkel), und die Augäpfel schienen in äußerster
Wut aus den Höhlen zu starren. Die Schnauze war im Vergleich zum Körper unverhältnismäßig groß
- fast das Maul
eines Alligators - und stand offen, so daß man eine Reihe spitzer Zähne sehen konnte. Die Statue, wenn es sich denn um
eine handelte, war dicht unterhalb der Brust abgebrochen.
Von den Vorderbeinen waren Stummel erhalten, mehr nicht.
Der Stein war narbig und vom Alter zerfressen. An manchen
Stellen funkelte er wie die Steine in einem der Dandux-Waschkörbe. Daneben lag ein Zettel, der von einem Karton Reißzwecken beschwert war: Jim - was, zum Teufel, ist das? Eine
Idee? Barbie.
»Sehen Sie sich diese Zunge an«, sagte Cynthia mit seltsam
verträumter Stimme.
»Was ist damit?«
»Es ist eine Schlange.«
Ja, jetzt sah er es auch. Möglicherweise eine

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