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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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aufhörte.
Er ging den Pfad entlang und stellte fest, daß er Pflanzen
passierte, wie er sie noch nie irgendwo in Ohio gesehen hatte
- Pfahl- und Kugelkakteen, Seguro, Akelei, Sodakraut… auch
als Windhexe bekannt. Aus den Büschen am Wegesrand trat
seine Mutter. Ihr Gesicht war schwarz und runzlig, eine uralte
Teigtasche. Ihre Augen hingen herab, ihr Anblick in diesem
Zustand erfüllte David mit Trauer und Schrecken.
»Ja, ja, dein Gott ist stark«, sagte sie, »keine Frage. Aber sieh
doch, was er mir angetan hat. Ist diese Stärke bewundernswert? Lohnt es sich, diesem Gott zu huldigen?« Sie streckte
ihm die Hände entgegen und zeigte ihm die verwesenden
Handflächen.
»Das hat Gott nicht getan«, sagte David und fing an zu weinen. »Das war der Polizist!«
»Aber Gott hat es zugelassen«, konterte sie, und einer ihrer
Augäpfel fiel ihr aus dem Kopf. »Derselbe Gott, der zugelassen hat, daß Entragian Kirsten die Treppe hinunterstieß
und ihre Leiche an einen Haken hängte, damit du sie fandest.
Was ist das für ein Gott? Wende dich von ihm ab und diene
meinem. Meiner gibt wenigstens zu, daß er grausam ist.«
Aber diese ganze Unterhaltung - nicht nur das Anliegen, sondern auch der hochmütige, drohende Tonfall - stand in so krassem Widerspruch zu der Erinnerung, die David an seine Mutter
hatte, daß er einfach weiterging. Weitergehen mußte. Die Mumie
war ihm auf den Fersen, und die Mumie war langsam, schon,
aber er überlegte sich, daß das eine Methode war, wie die Mumie ihre Opfer einholte: indem sie auf alte ägyptische Magie
zurückgriff, um ihnen Hindernisse in den Weg zu legen.
»Bleib mir vom Leibe!« kreischte das verwesende MutterDing. »Bleib mir vom Leibe, sonst verwandle ich dich in einen
Stein im Mund eines Gottes! Du wirst am tah in einem am tak!« »Das kannst du nicht«, sagte David geduldig, »und du bist
nicht meine Mutter. Meine Mutter ist bei meiner Schwester,
bei Gott im Himmel.«
»Was für ein Witz!« schrie das verwesende Ding entrüstet
auf. Seine Stimme klang jetzt röchelnd, wie die des Cops. Es
spie beim Reden Blut und Zähne aus. »Der Himmel ist ein Witz, ‘ne Sache, über die dein Reverend Martin stundenlang
schwadronieren würde, wenn du ihm genügend Schnaps und
Bier kaufst - er ist genausowenig real wie Tom Billingsleys Fische und Pferde! Du wirst mir doch nicht erzählen wollen,
daß du das geschluckt hast? Ein kluger Junge wie du? Oder doch? O Davey! Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen
soll!« Sie lächelte wütend. »Es gibt keinen Himmel, kein Leben nach dem Tod und das alles … nicht für unseresgleichen.
Nur die Götter can taks, can tahs, können -«
Plötzlich wurde ihm klar, worum es bei dieser wirren Predigt ging: Sie sollte ihn aufhalten. Ihn aufhalten, damit ihn die
Mumie einholen und erwürgen konnte. Er machte einen
Schritt nach vorne, packte den tobenden Kopf und zerquetschte ihn zwischen den Händen. Zu seiner eigenen Überraschung lachte er dabei, weil es so sehr dem glich, was diese
verrückten Fernsehprediger trieben; sie packten ihre Opfer
am Kopf und plärrten Sprüche wie: »Krankheit, komm RAUUUUS! Tumore, kommt RAUUUUS! Rheumatismus, komm RAUUUUS! Im Namen Jeeeeeesu!« Ein weiterer lautloser Blitz leuchtete auf, und diesmal blieb nicht einmal der Körper zurück; er
stand wieder ganz allein auf dem Weg.
Er ging weiter, während Trauer an seinem Herzen und seinem Verstand nagte, und dachte darüber nach, was das Mutter-Ding gesagt hatte. Kein Himmel, kein Leben nach dem Tod,
nicht für unseresgleichen. Das mochte zutreffen oder auch nicht;
das konnte er nicht wissen. Aber das Ding hatte auch gesagt,
Gott habe zugelassen, daß seine Mutter und seine Schwester
getötet wurden, und das stimmte … oder nicht?
Nun, vielleicht. Woher soll ein Kind über solche Dinge Bescheid
wissen? Aber eines weiß ich das war seine Rückzugsposition.
Darauf hat es sich zurückgezogen, als es sah, es konnte mich nicht
davon überzeugen, daß Gott das alles persönlich getan hat… daß
er einfach mit dem Finger aus einer Wolke gezeigt und sie niedergestreckt hat.
Vor ihm lag die Eiche mit dem Vietcong-Wachposten darauf. An der Wurzel des Baums lag ein Stück Papier in den Farben Silber und Rot
- eine Three-Muskies-Verpackung. David
bückte sich, hob sie auf, steckte sie in den Mund und lutschte
mit geschlossenen Augen die Reste der Schokolade an der Innenseite ab. Nehmet, esset, hörte er Reverend Martin sagen das war eine Erinnerung, keine Stimme, was irgendwie

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