Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
einer spitzen Teufelsklaue aus Felsgestein aufgespießt zu sein, die am Südrand der China-Mine
aufragte.
Ich bin draußen, dachte sie und nahm die Taschenlampe. Wenigstens das. Lieber Gott, ich danke dir dafür.
Sie entfernte sich auf Knien von den aufgeschichteten Toten, hielt die Taschenlampe wieder zwischen Arm und Brust
geklemmt und wühlte mit den Händen immer noch in dem
geröllhaltigen Boden, um sie zu reinigen.
Links von sich sah sie Licht. Sie sah hin und verspürte
Grauen, als sie Entragians Streifenwagen sah. Würden Sie bitte
aus dem Auto aussteigen, Mr. Jackson? hatte er gesagt, und da,
überlegte sie sich, hatte es angefangen, da war alles, das sie bis
dahin für solide und unumstößlich gehalten hatte, weggeweht worden wie Staub im Wind.
Es ist leer, das Auto ist leer, das siehst du doch, oder nicht? Ja, sie sah es, aber ein Rest des Grauens blieb. Er war wie ein
Geschmack in ihrem Mund, als hätte sie Kupferpennys gelutscht.
Der Streifenwagen
- staubig, sogar das Blinklicht auf dem
Dach war von den Folgen des Sturms verkrustet - parkte neben einem kleinen Betongebäude, das wie ein Bunker aussah.
Die Fahrertür stand offen (sie konnte den abscheulichen kleinen Plastikbären neben dem Kompaß am Armaturenbrett sehen), darum war das Deckenlicht an. Ellen hatte sie in dem
Streifenwagen hierher gebracht und war dann anderswo hingegangen. Ellen hatte andere Dinge zu erledigen, andere
Steine ins Rollen zu bringen, andere Eisen im Feuer. Wenn sie
nur die Schlüssel steckengelassen hätte
Mary stand auf und ging hastig und gebückt zu dem Auto
wie ein Soldat, der das Niemandsland durchquert. Der Streifenwagen stank nach Blut und Pisse und Schmerzen und
Angst. Armaturenbrett, Lenkrad und Vordersitze waren mit
geronnenem Blut verschmiert. Die Armaturen konnte man
nicht lesen. Vor dem Beifahrersitz lag eine kleine Spinne aus
Stein. Sie war uralt und narbig, doch der Anblick reichte aus,
daß Mary sich kalt und schwach fühlte.
Nicht, daß sie sich nennenswerte Gedanken darüber hätte
machen müssen; der Schlüssel steckte nicht im Zündschloß.
»Scheiße!« flüsterte Mary wütend. »Scheiße auf Toast!« Sie
drehte sich um und leuchtete mit der Taschenlampe erst auf
eine Ansammlung von Bergbauausrüstung und dann zu der
Straße, die am Nordhang der Grube hinaufführte. Gestampfter Sand mit Schotter, mindestens vier Spuren breit, damit die
schweren Maschinen passieren konnten, die sie gerade gesehen hatte, wahrscheinlich ebener als der Highway, auf dem
Peter und sie unterwegs gewesen waren, als der gottverdammte Cop sie angehalten hatte … und sie konnte nicht mit
dem Streifenwagen da rauf und in die Freiheit fahren, weil sie
den beschissenen Zündschlüssel nicht hatte.
Wenn ich es nicht kann, muß ich dafür sorgen, daß er es auch
nicht kann. Oder sie. Oder was auch immer es ist.
Sie beugte sich wieder in das Auto und verzog das Gesicht
wegen des sauren Geruchs (und behielt die eklige Figur im
Auge, als könnte der Stein zum Leben erwachen und sie
anspringen). Sie zog am Hebel, der die Motorhaube öffnete,
dann ging sie zur Vorderseite des Autos. Sie tastete am Kühler
entlang, bis sie den Sicherungshaken gefunden hatte, und
klappte die Haube des Caprice hoch. Der Motor darunter war
riesig, aber sie fand den Luftfilter mühelos. Sie beugte sich
darüber, ergriff die Flügelmutter in der Mitte und versuchte
sie zu lösen. Nichts geschah.
Sie zischte frustriert und blinzelte sich Schweiß aus den
Augen. Es brannte. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte sie
Gedichte auf einer Veranstaltung mit dem Titel »Dichterinnen
feiern ihre Sinnlichkeit und Sexualität« vorgetragen. Sie hatte
ein Kostüm von Donna Karan getragen, darunter eine Seidenbluse. Ihr Haar war frisch frisiert gewesen, Strähnchen hingen
ihr in die Stirn. Ihr langes Gedicht »Meine Vase« war der
Knüller des Abends gewesen. Selbstverständlich war das alles
vor ihrem epochemachenden und wunderschönen Ausflug in
die China-Grube gewesen, der Heimat der einmaligen und
faszinierenden Mine Rattlesnake Nummer zwei. Sie bezweifelte, ob irgend jemand von den Leuten, die gehört hatten, wie
sie damals »Die Vase« vortrug –
    glatte
Seiten
Duft von Stengeln
    gesäumt von Schatten
gekrümmt wie die
Form einer Schulter
die Form eines Schenkels
    - sie jetzt erkannt haben würde. Sie erkannte sich selbst nicht
mehr.
Ihre rechte Hand, mit der sie den Luftfilter bearbeitete,
juckte und pochte. Ihre Finger rutschten ab. Ein Nagel riß
schmerzhaft ein,

Weitere Kostenlose Bücher