Diana - sTdH 5
her.
Graubrauner,
die Luft abschnürender Nebel hüllte sie ein. Er war so dick und dicht, daß die
Straßenlampen noch brannten, schwache flackernde Flammen in schmutzigen
Glaskugeln. Vor den Geschäften wurde der Nebel vom Schaufensterlicht goldgelb;
aber man konnte trotzdem nichts sehen. Man ging vor den Fenstern durch dicken
goldenen Nebel und tauchte dann wieder in schmutzig-grauen Nebel ein.
Der Pfarrer
und der Squire hatten beschlossen, zu Fuß zu gehen, da die Conduit Street nicht
weit vom Hanover Square entfernt war. Undeutlich ragten plötzlich die Pfeiler
der St. George's Church am südlichen Ende des Hanover Square vor ihnen auf wie
die Säulen einer antiken griechischen Ruine, da das Kirchenschiff selbst im
Nebel verborgen war.
Sie
drückten sich an ein Gebäude, als zwei irische Sänftenträger mit ihrem Ruf
»Aus dem Weg!« den schmalen Gehsteig entlang kamen. An der Ecke der Conduit
Street warf der Pfarrer einem Straßenkehrer eine Münze zu.
Der kleine
Squire mußte sich eingestehen, daß er das bevorstehende Gespräch fürchtete, da
seine Sympathien Lord Dantrey gehörten. Für ihn war es die natürlichste Sache
von der Welt, daß ein Gentleman die Situation ausnutzte. Der Squire dachte
insgeheim, daß sich Diana wie eine Dirne benommen hatte. Die Welt war voller
Mädchen, die begeistert von der Rolle waren, die sie im Leben auszufüllen
hatten, nämlich den Männern zu schmeicheln und ihnen zu gefallen. Was für ein
Recht hatte Miß Diana, sich für etwas Besonderes zu halten?
Bei
Limmer's zahlte der Pfarrer Dianas Rechnung und sagte, er wolle Mr. Armitages
Koffer holen, nachdem er Lord Dantrey besucht habe. Der Squire hoffte, daß Lord
Dantrey ausgegangen sei.
Doch Lord
Dantrey war oben in seinem Zimmer, und nach kurzer Zeit kam der Diener mit der
Botschaft zurück, daß Lord Dantrey sich freue, die Herren zu sehen.
Lord
Dantrey schien alles andere als erfreut. Arrogant wies er auf zwei Stühle, bat
Platz zu nehmen und setzte sich ebenfalls.
»Sie sind
ohne Zweifel gekommen«, sagte er gelangweilt, »um mich zur Heirat mit Ihrer
Tochter zu zwingen. Ich gebe zu, daß ich mich dumm benommen habe. Hätte ich
meine fünf Sinne beisammen gehabt, wäre ich mir der Situation bewußt gewesen.«
»Tatsache
ist«, begann der Pfarrer und legte seinem stürmischen Temperament feste Zügel
an, »daß ich hier einen anonymen Brief habe. Wenn es nur eine Frage Ihres und
Dianas Stillschweigens wäre, dann wäre die Angelegenheit nicht so wichtig. Ich
habe nicht das Bedürfnis, eine meiner Töchter ruiniert zu sehen.«
»Dann
sollten Sie besser auf sie aufpassen.«
»... ruiniert von einem Mann, der bereits den Ruf hat, ein Wüstling zu sein.«
»Hochwürden«,
sagte Lord Dantrey sanft, »Sie wollen doch nicht, daß ich Sie zum Duell
herausfordere?«
»Ich halte
mich nur an die Tatsachen«, sagte der Pfarrer. »Es hat den Anschein, als hätten
Sie von Anfang an gewußt, daß sie ein Mädchen ist. Warum haben Sie sie in ihrem
Plan bestärkt?«
»Ich
langweilte mich, sie hat mich interessiert ... Nur kurze Zeit, leider.
Mannweiber sind nicht nach meinem Geschmack.«
»Dann
müssen Sie sie heiraten. Und wenn Sie das nicht tun«, sagte der Pfarrer, sich
vorlehnend und seine Faust auf dem Knie ballend, »ist Ihr Ansehen für immer
beschmutzt. «
»Sie
vergessen, daß ich daran gewöhnt bin. Ich habe nicht die Absicht, Ihre Tochter
zu heiraten. Ich mag sie nicht.«
»Sir!« rief
der Squire außer sich vor Zorn; seine ganze Sympathie gehörte jetzt der
abwesenden Diana.
»Außerdem«,
fuhr Lord Dantrey fort, als ob der Squire nichts gesagt hätte, »schien sie
niemand außer mir für eine Frau zu halten. Man hat sie auf dem Tower Hill sogar
mit Gewalt für die Marine anwerben wollen.«
»Oh,
barmherziger Gott!« rief der kleine Pfarrer aus und fragte sich, ob noch mehr
Schrecken auf ihn zukämen, die Lady Godolphin nicht erzählenswert gefunden
hatte. »Das habe ich nicht verdient. Oh, schärfer nagt als Schlangenzahn, ein
undankbares Kind zu haben. Lukas, Kapitel –«
»Shakespeare.
König Lear.«
»Was?«
»Nicht die
Bibel – Shakespeare«, sagte Lord Dantrey. »Und wenn Sie sich fragen, wie Sie
das verdient haben, dann finde ich, Sie haben mehr Glück als Verstand. Sie
erlauben Ihrer Tochter, sich als Mann zu kleiden, statt zu lernen, wie sich
eine junge Dame in der Gesellschaft benimmt. Dann versuchen Sie, sie mir als
Ehefrau aufzuzwingen, obwohl es dafür keinen Grund gibt, soweit ich sehe,
Weitere Kostenlose Bücher