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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erreichte. Leise näherte ich mich ihm und spähte hindurch. Gentil Bresingas Schlafgemach war leer. Das bestätigte, was Chade mir vergangene Nacht erzählt hatte, nämlich dass der junge Gentil gemeinsam mit anderen den Prinzen und dessen Auserwählte heute auf einem Ausritt begleiten würde. Gut. Vielleicht war das die Gelegenheit, mal einen Blick in seine Gemächer zu werfen, auch wenn ich glaubte, dass das nicht sonderlich viel bringen würde. Außer seinen Kleidern und ein paar alltäglichen Gegenständen bewahrte er hier nichts auf. Auch abends waren seine Gemächer leer, denn er bewohnte sie allein. Falls er mal da war, spielte er entweder auf der Flöte – und zwar schlecht – oder aber er gab sich dem Glimmkrautgenuss hin und blickte anschließend aus dem Fenster. Von allen Personen, die ich jemals ausspioniert hatte, war Gentil mit Abstand die langweiligste.
    Ich machte mich wieder auf den Weg zu Chades Turmzimmer und blieb lange genug stehen, um zu lauschen und einen Blick ins Zimmer zu werfen, bevor ich den verborgenen Öffnungsmechanismus betätigte. Ich hörte ein leises Murmeln und das Geräusch von Feuerholz, das gestapelt wurde. Fast hätte ich wieder kehrtgemacht; die Schriftrollen hätte ich erst einmal auch im Gang lassen und mich später darum kümmern können. Dann kam ich zu dem Schluss, dass es schon viel zu viele ›später‹ in meinem Leben gegeben hatte, und dass ich Chade viel zu viel Arbeit überließ. Nur ich konnte das wirklich tun. Ich atmete tief durch, konzentrierte mich und senkte meine Gabenmauern.
    Bitte, erschreck dich nicht. Ich komme jetzt rein.
    Das half nichts. Kaum war ich durch die Tür, da traf mich eine Welle der Gedanken. Sieh mich nicht, Stinkehund! Tu mir nicht weh! Geh weg!
    Aber meine Mauern waren wieder oben und ich bereit.
    »Hör auf damit, Dick. Inzwischen solltest du doch wissen, dass das bei mir nicht funktioniert, und dass ich nicht die Absicht habe, dir wehzutun. Warum hast du solche Angst vor mir?« Ich legte die Schriftrollen auf den Arbeitstisch.
    Dick war aufgestanden. Zu seinen Füßen stand ein Korb mit Feuerholz. Die Hälfte davon hatte er bereits in den Ständer neben dem Kamin gelegt. Er blinzelte mit seinen schläfrig wirkenden Augen. »Keine Angst. Ich mag dich einfach nicht.«
    Seine Stimme hatte etwas Seltsames an sich, kein Lispeln oder so, sondern eine Art von Schärfe wie die eines sehr, sehr jungen, trotzigen Kindes. Er starrte mich an, die Zunge ein Stück herausgeschoben. Ich kam zu dem Schluss, dass er trotz seiner kleinen Gestalt und der kindischen Stimme sowie der kindischen Art kein Kind war. Also würde ich auch nicht so mit ihm sprechen.
    »Wirklich? Ich versuche, die Leute erst einmal kennen zu lernen, bevor ich mich entscheide, ob ich sie mag oder nicht. Ich glaube nicht, dass ich dir Grund gegeben habe, mich nicht zu mögen.«
    Er funkelte mich an und legte die Stirn in Falten. Dann deutete er durch den Raum. »Viele Gründe. Du machst mehr Arbeit. Wasser fürs Bad. Bring Essen rauf und Geschirr runter. Viel mehr Arbeit als nur der alte Mann.«
    »Nun, das kann ich nicht leugnen.« Ich zögerte; dann fragte ich: »Wie könnte ich das gut machen?«
    »Gut machen?« Misstrauisch blinzelte er mich an. Vorsichtig senkte ich meine Mauer und versuchte zu erfühlen, was er empfand. Ich hätte mir die Mühe sparen können. Es war offensichtlich. Sein ganzes Leben lang hatte man ihn verspottet. Er war sicher, dass es bei mir nicht anders sein würde.
    »Ich könnte dir Geld für die Dinge geben, die du für mich tust.«
    »Geld?«
    »Münzen.« Ich hatte ein paar in meiner Börse. Die hob ich und klimperte damit.
    »NEIN. Keine Münzen. Ich will keine Münzen. Er schlägt Dick geschlagen und nimmt die Münzen. Schlägt Dick, hat nimmt Münzen.« Als er sich wiederholte, ahmte er meine Geste nach und wedelte mit der fleischigen Faust.
    »Wer tut das?«
    Er kniff die Augen zusammen und schüttelte dann stur den Kopf. »Jemand. Du weißt nicht. Ich habe niemandem gesagt. Schlägt Dick, nimmt Münzen.« Wieder wedelte er die Faust, als die Wut in ihm hochkam. Sein Atem ging schneller und schneller.
    Ich versuchte, zu ihm durchzudringen. »Dick. Wer schlägt dich?«
    »Schlägt Dick, nimmt Münzen.« Faustwedeln, Zunge rausgeschoben, Augen fast vollständig geschlossen. Ich ließ den Schlag durch die leere Luft fahren und trat dann vor. Dann legte ich Dick die Hände auf die Schultern, um ihn zu beruhigen, damit ich mit ihm sprechen konnte.

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