Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
der merkwürdigen Wortwahl war das wohl eher eine ›unglückliche Ausdrucksweise‹. Ich war jedoch sicher, dass dem nicht so war … genau wie ich sicher war, dass die leisen Worte, die sie zu Peottre sprach, als sie gemeinsam die Treppe hinunterstiegen, überhört werden sollten. »Dann sollte ich ihn vielleicht nicht heiraten, bevor wir nicht sicher sind, dass der Prinz tatsächlich König wird, hm? So manch einer hofft auf den Thron und scheitert noch im letzten Augenblick. Vielleicht sollte die Trauung verschoben werden, bis sein eigenes Volk ihn als würdig erachtet.«
Kettrickens Lächeln verschwand nicht, war aber wie festgefroren. Chade kniff kurz die Augen zusammen. Doch Pflichtgetreu konnte nicht verhindern, dass ihm die Röte in die Wangen stieg. Gedemütigt stand er da. Damit glaubte ich, dass die Narcheska ihre Rache erfüllt hatte; sie hatte meinen Prinzen vor nahezu der gleichen Gesellschaft bloßgestellt, vor deren Augen er sie beleidigt hatte. Aber falls ich geglaubt haben sollte, sie sei fertig, so hatte ich mich getäuscht.
Als der Prinz höflich zu ihr trat, um ihr aufs Pferd zu helfen, winkte sie ihn beiseite und sagte: »Gestattet meinem Onkel, mir aufzuhelfen. Er ist ein Mann mit Erfahrung, sowohl mit Pferden als auch mit Frauen. Sollte ich Hilfe brauchen, bin ich in seinen Händen am Besten aufgehoben.« Doch als Peottre sich ihr näherte, lächelte sie und versicherte ihm, dass sie durchaus allein aufsitzen könne. »Ich bin nämlich kein Kind mehr, weißt du?« Sie schwang sich mit Leichtigkeit in den Sattel, obwohl das Pferd weit größer war als die kleinen, zähen Ponys der Outislander.
Sie ritt neben die Königin, um sich mit ihr zu unterhalten. Beide waren edel, aber keineswegs protzig gekleidet und stellten einen krassen Gegensatz zu den anderen Teilnehmern des Ausritts dar. Irgendwie vermittelte das nicht nur den Eindruck, als gehörten sie zusammen, sondern sie schienen auch die einzigen zu sein, die das simple Vergnügen des Ausritts an einem kühlen Wintermorgen zu schätzen wussten. Ohne es zu beabsichtigen, ließen sie die herausgeputzten Adeligen dumm und frivol wirken. Ich legte die Stirn in Falten, als mir der Gedanke kam: Indem sie eine Kleidung gewählt hatte, die zu Kettrickens Schlichtheit passte, gleichzeitig aber dem Stil ihrer Heimat entsprach, beanspruchte die Narcheska, auf der selben Stufe wie unsere Königin zu stehen.
Prinz Pflichtgetreu schaute zu seinen jugendlichen Freunden. Ich sah, wie sich sein Blick mit Gentils traf, der fragend die Augenbrauen hob. Doch vom tadelnden Blick seiner Mutter in die Schranken gewiesen, ritt der Prinz brav zur Linken der Narcheska. Die Narcheska beachtete ihn kaum. Die wenigen Male, da sie sich zu ihm umdrehte und eine Bemerkung machte, tat sie es auf die Art von jemandem, der sich höflich bemühte, einen Fremden in ein Gespräch mit einzubeziehen. Pflichtgetreu konnte jedoch nie mehr als ein Lächeln oder ein Nicken zu dem Gespräch beitragen, bevor sie sich wieder von ihm abwandte.
Unmittelbar hinter den Dreien ritten Chade, Arkon Blutklinge und Peottre Schwarzwasser. Fürst Leuenfarb hatte sich unter die jungen Freunde des Prinzen gemischt, und ich folgte ihnen. Sie ritten zusammen und plapperten munter miteinander. Ich bin sicher, dass sich Prinz Pflichtgetreu durchaus bewusst war, dass sie hinter seinem Rücken über ihn redeten, wie seine Verlobte ihn zurechtgewiesen hatte, die auch jetzt noch lieber mit seiner Mutter als mit ihm sprach. Fürst Leuenfarb war darauf bedacht, das Gespräch am Laufen zu halten, und mied geschickt jedwede Äußerung, die vom Thema hätte ablenken können. Mir fiel auf, dass Lady Vance sich zwar fröhlich mit Lord Gentil unterhielt, doch oft wanderte ihr spekulierender Blick zu dem gedemütigten Prinzen. Ich fragte mich, ob sie ihrem eigenen Ehrgeiz oder dem ihres Onkels, Lord Shemshy, folgte.
Kurz wurde ich irritiert, als Pflichtgetreu überraschend durch meine Mauern und in meine Gedanken einbrach. Das habe ich nicht verdient! Das war eine unglückliche Bemerkung, doch sie verhält sich, als hätte ich sie absichtlich gedemütigt. Fast wünschte ich, es wäre wirklich so gewesen!
Die Wucht seines Gedankens war erschreckend genug, schlimmer jedoch war, Fürst Leuenfarb dabei zusammenzucken zu sehen. Er blickte zu mir zurück und hob eine Augenbraue; fast schien er zu glauben, ich hätte zu ihm gesprochen. Und er war nicht der Einzige, der reagierte. Mehrere Reiter blickten in
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